Herzkurven
ausgeplaudert hätte, hättest du mir davon erzählt?« Er klang nicht besonders freundlich.
»Ich weiß nicht. Ich nehme es an … irgendwann«, mauerte sie.
»Du meinst nein«, antwortete Ross bissig.
»Ich – na ja – ich meine …« murmelte Danny. »Du hast viel zu tun.«
»Nicht zu viel für so etwas«, widersprach er kühl.
Was war sein Problem? Warum war er so wütend auf sie? Sie hatte es ihm erzählt.
»Wann wirst du endlich verstehen, Danny, dass dieser Deal auf fifty-fifty lautet? Matt und Mia sind halb Lawton und halb Fabello. Wir teilen uns die Verantwortung für sie.«
»Okay.«
Ross legte auf und knirschte mit den Zähnen. Sie meinte es nicht ernst: Wenn Mia den Mund nicht aufgemacht hätte, hätte er nie etwas erfahren. Er bemühte sich, nicht wütend zu werden. Danny litt an einer fast pathologischen Angst, abhängig zu sein – ein direktes Resultat ihrer Kindheit. Wenn es darum ging, sich auf andere Leute – besonders Männer – zu verlassen, griff Danny nur auf die Schlüsse zurück, die sie aus der Beziehung zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater und der zwischen Nella und Patrick gezogen hatte. Hätte sie noch Großeltern oder Tanten und Onkel gehabt, wäre sie wahrscheinlich einem normalen Familienleben ausgesetzt gewesen. Sie wäre mit dem aufgewachsen, was Ross für selbstverständlich genommen hatte: seine Familie. Sie mochten sich ja überall einmischen und ihn manchmal in den Wahnsinn treiben, aber trotzdem liebte er sie, und er wusste auch, dass sie ihn liebten – so wie er Matt und Mia liebte.
Ross war nicht darauf vorbereitet gewesen, wie sehr er sie vermisste. Er hatte sich in den zweifelhaften Charme einer achtjährigen Quasselstrippe verliebt, die eine Singstimme hatte, mit der man Farbe von den Wänden lösen konnte, und in einen frühreifen Elfjährigen, der nicht den geringsten Respekt für die Bücher oder die Kochkünste seines berühmten Onkels hegte.
Und in ihre Tante.
*
Joe trug seine leere Tasse in die Küche und wusch sie aus.
»Ich backe einen Bananenkuchen, Joe.« Danny starrte auf die Kuchenform im Ofen und versuchte, den Teig mit Geisteskraft dazu zu bringen aufzugehen. »Er sollte bald fertig sein. Willst du ein Stück?«
Ihre Kochkünste hatten seit dem verwirrenden Telefonat mit Ross noch einmal gelitten. Am Abend vorher war es ihr gelungen, eins der wenigen essbaren Gerichte zu versauen, die sie sonst hinkriegte: Chicken-Nuggets mit Pommes. Wenn Ross nicht bald nach Hause kam, würden sie alle verhungern oder von Haferbrei leben müssen.
Die Kinder teilten Dannys Meinung. Matt starrte auf die verbrannten Reste auf seinem Teller und sagte: »Ich vermisse Onkel Ross
wirklich
.«
Mia pikte ein verbranntes Pommes-Stück mit ihrer Gabel. »Ich auch.«
Und mit mir sind’s drei
, dachte Danny trübselig, und nicht nur wegen seiner Kochkünste.
Joe beäugte den Kuchen im Ofen und warf Matt schnell einen Blick zu, der am Küchentisch seine Hausaufgaben machte. Der Junge schüttelte heftig den Kopf. »Ähm, vielleicht ein andermal, Danny. Meine Frau macht heute Abend Schweinebraten, und sie bringt mich um, wenn ich keinen Hunger habe.«
Danny starrte Joe böse an.
»Nicht, dass ich nicht hungrig wäre, nur weil ich deinen Kuchen gegessen habe, oder irgendwas in der Art. Ich habe dann nur vielleicht keinen Platz mehr für den Schweinebraten, weißt du?«
Joe stellte seine Tasse umgedreht auf das Abtropfgestell und zog ein Stück Papier aus seiner Hosentasche. »Übrigens, ich habe von meiner Mum gehört: Das ist die Telefonnummer deiner Oma in Rotorua.« Er hielt es ihr wie ein Friedensangebot entgegen.
Danny starrte den verknitterten Zettel ungläubig an. Hatte er gerade gesagt, dass er die
Telefonnummer ihrer Großmutter
hatte?
»Hat sich herausgestellt, dass du meine Cousine bist«, sagte Joe.
»Wir sind verwandt?«, fragte sie schwach.
»Jawohl.«
Danny war sprachlos. Er war ihr Cousin? Sie hatte einen Cousin? Sie hatte nicht erwartet, dass sich aus Joes Angebot, ihre Familie zu suchen, wirklich etwas ergab, und sicherlich nicht so schnell. Sie musterte ihn skeptisch. »Ersten oder zweiten Grades?«
»Hä?« Joe guckte sie verständnislos an.
»Cousin ersten oder zweiten Grades?«
Für Joe ergab das keinen Sinn. Pakeha – europäische Neuseeländer – kümmerten sich um so etwas wie genaue Verwandtschaftsgrade. In der Maori-Welt war man einfach nur verwandt.
»Weiß nicht. Wen kümmert’s? Hier, nimm sie!« Er drückte ihr
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