Herzkurven
Herzen. »Diese Frau ist eine öffentliche Gefahr. Nicht nur findet sie es okay, Lastwagen in Wände aus Betonblöcken zu fahren, sie greift auch Leute mit Früchten an. Ich nehme an, ich sollte dankbar sein, dass keine Kokosnüsse in der Nähe lagen.«
»Verdammt!«, murmelte Deirdre. »Wenn du mich fragst, ist selbst Hängen zu mild für sie.«
»Ich hätte wissen müssen, dass du es lustig findest.«
Deirdre war überraschter von der Antwort ihres großen Bruders als von Danny Lawtons Verhalten. Er klang mehr irritiert als wütend. Früher einmal hätte Ross den Vorfall im Supermarkt lustig gefunden, aber seit der Simone-Marchant-Sache hatte er seinen Humor verloren. Ihre Mutter redete sich gern ein, dass Simone Ross das Herz gebrochen hatte. Seine Schwestern wussten, dass es mehr verletzter Stolz war und Wut darüber, dass er Simone in erster Linie vertraut hatte. Deirdre war sich sicher, dass noch etwas anderes an Ross nagte. Er lebte allein in seinem wunderschönen Haus an der Küste und wurde mit jedem verstreichenden Monat verschlossener und launischer. Ihn dazu zu bringen, sich einmal zu öffnen, war schwieriger, als für einen Mitternachtsblick auf die Kronjuwelen in den Tower von London einzusteigen.
»Du verschwendest mit deinem Mitgefühl nur Zeit«, hatte Aoife, der Zwilling, der sehr direkt sein konnte, festgestellt. »Wenn Ross Einsiedlerkrebs spielen und sich in seinem Haus verstecken will, dann wäre es das Beste, ihn mit einem Hammer zu schlagen, bis er endlich redet.«
»Heilige Scheiße, Aoife!«, war es aus Carmel, der ältesten Schwester, herausgeplatzt. »Bist du dir sicher, dass du eine Frau bist?«
Annie, Aoifes Zwillingsschwester, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber wie üblich war Aoife noch nicht fertig. »Erzähl mir bloß nicht diesen Dreck darüber, dass Ross mit seiner
weiblichen Seite in Kontakt kommen
muss! Die einzige weibliche Seite, mit der Ross in Kontakt kommen will, hat einen guten Vorbau und einen knackigen Arsch. Und wir alle wissen, dass er niemals Probleme hatte, damit in Kontakt zu kommen.«
Frauen hatten sich Ross und Pat an den Hals geworfen, seitdem sie den Stimmbruch hinter sich hatten, und Aoife bestand darauf, dass Ross es mit dem Babysitter getrieben hatte, während der Rest von ihnen
Raumschiff Enterprise
schaute.
Deirdre lauschte den Beschwerden ihres Bruders über Danny und entschied, dass er bei weitem nicht so sauer über Dannys Verhalten war, wie sie es erwartet hätte. Tatsächlich konnte sie sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so lebendig geklungen hatte.
»Wie ist Neuseeland so?«
»Wunderschön. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich ein paar Wochen einfach nur herumfahren.«
»Vielleicht kannst du das, wenn alles geregelt ist.«
Ross schnaubte. »Das würde ich nur machen, wenn ich wüsste, dass Danny Lawton weit weg ist – Grönland oder so.«
Wow – sie hatte wirklich einen Nerv getroffen! »Wie läuft’s mit dem Schreiben?«
Deirdre fragte sich, ob sie sich die Pause vor Ross’ Antwort nur eingebildet hatte. »Prima.«
Hatte Ross Probleme mit dem Schreiben? Dieser Eindruck hatte an Deirdre genagt, seitdem er geflogen war, und Annie stimmte ihr zu. Aoife und Carmel mochten ja über Annies träumerische, ein wenig realitätsferne Art lachen, aber sie besaß ein Talent, Dinge zu erkennen, welche die anderen von ihnen übersahen. Annie teilte Ross’ kreative Ader und war selbst eine erfolgreiche Künstlerin. Schreiben war immer seine Leidenschaft und sein Trost gewesen. Deirdre dachte an den Nachmittag zurück, an dem es ihr und ihrer Mutter gelungen war, ihn zum Familienbotschafter zu ernennen, der Pats letzten großen Schlamassel aufräumen durfte.
*
Sie hatten im Wohnzimmer im Haus ihrer Eltern gesessen, ein Raum, der groß gewesen wäre, wenn Breda nicht jeden Quadratzentimeter mit ihren Sammlungen und Erinnerungsstücken gefüllt hätte. Chinesische Frösche in allen Größen und Farben bedeckten jede verfügbare Oberfläche, während in einem Bücherregal auf einer Seite Hardcover-Ausgaben der Reader’s-Digest-Romane und die Erstausgaben von Ross’ Romanen standen. Ein großes gerahmtes Bild der Jungfrau Maria, die gleichmütig unter einem blauen Schleier hervorblickte, hatte einen Ehrenplatz über dem rosa-pinkfarbenen Veloursofa, auf dem Ross und Deirdre saßen. Der Rest der Wandfläche wurde von Bildern der Fabello-Kinder gefüllt, von nackten Babys auf Fellen bis zu Bildern der Erstkommunion. Die einmütige
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