Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
Und zu deinen braunen Augen. Über deine Frisur müssen wir nachher noch mal reden. Du kannst die Haare doch vielleicht ein bisschen glatt föhnen.«
Ohne zu antworten, hatte Johanna den Vorhang zugezogen und ihre wirre Frisur im Spiegel betrachtet. Diese Locken gehörten zur Jäger’schen Erbmasse. Ihre Tante sah doch genauso aus.
An der Kasse hatte Finchen so schnell bezahlt, dass Johanna gar keine Zeit zum Protestieren geblieben war, der Anzug war eigentlich viel zu teuer. Aber ihre Tante bestand auf diesem Geschenk.
Mit schnellen Schritten liefen sie wieder zurück in Richtung Bahnhof. Die Tüte tanzte an Finchens Arm, als sie sich zu Johanna umdrehte. »Jetzt beeil dich, wir wollen doch noch frühstücken und es ist gleich zehn.«
In diesem Moment schoss ein heller Mercedes um die Kurve. Johannas Herz setzte aus, wie in einem Reflex sprang sie nach vorn und riss Finchen von der Straße zurück.
»Idiot«, brüllte sie dem Wagen nach. »Du blöder Idiot, bist du besoffen, oder was?«
Tante Finchen sah Johanna erschrocken an. »Meine Güte. Wie redest du denn?«
»Du musst aber auch gucken, wo du hinrennst.« Johanna rieb sich die Stirn, ihr Puls raste immer noch. »Der hätte dich fast über den Haufen gefahren. Hast du ihn denn nicht gesehen?«
»Ach, komm.« Finchen hakte sie unter und sah sie beruhigend an. »Der hätte bestimmt noch gebremst. Du bist so nervös, es ist wirklich ganz gut, dass du mal für ein Wochenende auf andere Gedanken kommst. So, und jetzt gehen wir frühstücken, dann zum Schließfach und dann endlich zum Bus. Ich freue mich.«
D ie Stimmung im Auto war schon seit der Abfahrt unterkühlt gewesen. Walter war seit dem Aufstehen schlecht gelaunt. Ihm lagen das Sauerkraut und die Fleischberge immer noch im Magen, vom Korn hatte er Kopfschmerzen, und Heinz hatte ununterbrochen geschnarcht. Der wiederum verstand Walters Übellaunigkeit zunächst gar nicht, er hätte doch sofort mit dem Schnarchen aufgehört, wenn Walter nur etwas gesagt hätte. Darauf ging sein Schwager jedoch überhaupt nicht ein, sondern teilte nur knapp mit, dass man aus Zeitgründen nicht nur ohne Frühstück, sondern auch ohne Kaffee das Motel verlassen müsse.
Dafür hatte die Werkstatt alles Versprochene gehalten. Der Reifen war ausgetauscht, der Reifendruck der anderen geprüft, Öl und Wasserstand waren kontrolliert, der Mechaniker wünschte eine gute Weiterfahrt und überreichte Walter die Rechnung, die er in der Tankstelle bezahlen sollte. Als der die Summe sah, wurde er blass, schluckte aber jeden Kommentar runter und ging mit schleppenden Bewegungen zur Kasse.
Zum Glück kannte Heinz seinen Schwager lang genug, um zu wissen, dass es niemandem so elend gehen konnte wie ihm. Also hielt er sich zurück, bot lediglich an, die erste Strecke zu fahren, und schwieg anschließend. Auch Walter, der sich umständlich auf dem Beifahrersitz angeschnallt hatte, blieb stumm, stöhnte nur von Zeit zu Zeit leise undumklammerte demonstrativ den Seitengriff, sobald Heinz schneller als 100 Stundenkilometer fuhr.
Nach einer halben Stunde wurde es Heinz zu viel. Er blickte kurz zur Seite, umklammerte das Lenkrad noch fester und stieß den Satz aus: »Manchmal wünschte ich mir, Inge hätte damals Alfred Stuppke geheiratet.«
»Was?« Walter fuhr hoch und sah seinen Schwager ungläubig an. »Wen?«
»Alfred Stuppke.«
»Kenne ich nicht.« Mit verbissenem Gesicht starrte er nach vorn. »Der Laster da schert gleich aus.«
Heinz nahm kurz den Fuß vom Gas, um dem Lkw vor ihm Platz zu machen.
»Ich sehe das, Walter. Und Alfred Stuppke war ein Jugendfreund von Inge, der ihr den Hof gemacht hat. Ein sehr netter junger Mann. Den hätte sie mal heiraten sollen. Unsere Eltern mochten den auch. Schade eigentlich.«
»Das hätte Inge mir ja wohl erzählt. Von diesem Steppke habe ich noch nie gehört. Wie alt waren die denn da? Zwölf?«
»Stuppke, Walter. Er hieß Alfred Stuppke. Mit U. Und sie gingen zusammen zur Tanzstunde. Also war Inge so sechzehn oder siebzehn. Von wegen zwölf. Sie war alt genug für die Liebe.«
Heinz sah Walter verstohlen an, der immer noch angestrengt nach vorn starrte und dabei die Stirn runzelte. »Alt genug für die Liebe, pah. Die waren nicht mal volljährig. Du redest manchmal ein wirres Zeug zusammen. Wenn es wichtig gewesen wäre, hätte Inge mir davon erzählt. Hat sie aber nicht. Also war es nicht wichtig, fertig aus. Alfons Steppke, was für ein blöder Name.«
Heinz machte den Mund auf
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