Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
Moment, als sie den Wagen passierte, schlug plötzlich die Tür auf und traf Johanna mit Schwung an der Hüfte. Vor Schreck ließ sie das Gepäck zu Boden fallen und ging in die Knie.
Sie blieb einen Moment so hocken und spürte nur Finchens Koffer, der auf ihrem Fuß lag. Und dann hörte sie eine Stimme: »Aua. Ist Ihnen etwas passiert?«
Ein Mann beugte sich erschrocken über sie. Er war um die siebzig, gut angezogen und zweifelsfrei der Fahrer dieses Autos. Johanna starrte ihn durchdringend an, rappelte sich hoch und klopfte ihre Jacke ab. »Ich verklage Sie«, sagte sie mit gefährlich ruhiger Stimme. »Sie geben Ihren Führerschein ab. Sie sind doch eine Gefahr für die Menschheit.«
»Walter. Was ist?«
Ein zweiter Mann stand plötzlich neben ihr. Etwa im selben Alter, mit weniger Haaren und sehr blauen Augen. »Guten Tag. Haben Sie sich was getan? Mein Schwager hat so einen steifen Nacken, er kann sich schlecht nach hinten drehen, um zu gucken, was da kommt. Aber Sie sind auch ganz flott von hinten angeschossen gekommen.«
Wütend schnappte Johanna nach Luft. »Das ist doch wohl das Letzte. Erst fahren Sie meine Tante fast über den Haufen und dann donnern Sie mir die Tür vor den Latz. Und ich soll schuld sein? Sie sind doch senil. Leute in Ihrem Alter sollte man gar nicht mehr hinter das Lenkrad lassen.« Inzwischen brüllte Johanna, die ersten Passanten blieben stehen. »Ich rufe jetzt …«
»Johanna, bitte.« Finchens energische Stimme brachteihre Nichte zum Schweigen. »Wir schreien nicht auf der Straße herum. Hast du dir was getan?«
»Nein, aber …«
»Gut. Dann kannst du dich bitte beruhigen.« Sie wandte sich an Heinz und Walter. »Sie sollten besser auf den Straßenverkehr achten, meine Herren. Gerade in Ihrem Alter. Da darf man sich keine Fehler mehr erlauben. Sie entschuldigen, dieser Bus erwartet uns.«
»Ach.« Heinz schob Walter zur Seite und baute sich vor Finchen auf. »Das ist ja ein Zufall. Dann gehören wir zur selben Reisegruppe.« Er beugte sich etwas hinunter – die grüne Dame war wirklich sehr klein, was ihn sofort wieder an Froschwanderungen denken ließ – und schüttelte ihr charmant die Hand. »Ich möchte mich noch einmal in aller Form für diesen kleinen Zwischenfall entschuldigen. Mein Name ist Schmidt, Heinz Schmidt. Und das ist mein Schwager Walter Müller. Wir kommen von Sylt und haben eine anstrengende Reise hinter uns, das können wir Ihnen gern mal in Ruhe erzählen. Aber das erklärt, warum mein Schwager einen Moment lang nicht hundertprozentig konzentriert war.«
»Sylt?« Finchen lächelte. »Wie schön. Da hatte ich einmal einen Auftritt. Das muss so 1965 gewesen …«
»Tante Finchen.« Johanna hatte mittlerweile das Gepäck aufgesammelt. »Die Ersten steigen schon ein. Vielleicht könntest du dieses Geplänkel hier abkürzen?«
Sie war immer noch fassungslos. Zumal der Kamikazefahrer jetzt zwei große Koffer an die Straße stellte und im Begriff war, das Auto abzuschließen.
»So«, sagte er prompt. »Dann können wir auch gemeinsam zum Bus gehen. Hast du alles aus dem Auto, Heinz? Kann ich zumachen?«
»Ja.« Heinz klopfte seine Jacke ab. »Brille, Taschentücher, Pfefferminz, Papiere, alles da. Auf ins Abenteuer.«
Beide Männer griffen zu den Koffern, nahmen Finchen in ihre Mitte und steuerten auf den Bus zu. Johanna blieb einen Moment stehen, dann holte sie Luft und rief: »Moment. Sie können doch den Wagen hier nicht stehen lassen.«
Walter drehte sich um und lächelte. »Doch. Schräg gegenüber ist nämlich die Polizei, da wird sich keiner trauen, den Wagen zu stehlen oder zu beschädigen.«
Nachdenklich betrachtete Johanna das Halteverbotsschild. Vielleicht könnte sie dieses Thema auch noch einbauen. Ab welchem Alter gilt ein Autofahrer als gefährlich? Und warum gibt es Straßenschilder?
Johanna bestieg den Bus tatsächlich als Letzte. Ein etwas schlecht gelaunter Busfahrer hatte ihr Finchens Gepäck und ihre Tasche abgenommen und alles mit Gewalt in den übervollen Stauraum gestopft. Beim Anblick der vielen großen Koffer fragte sich Johanna, ob sie sich vielleicht verlesen hatte und diese merkwürdige Reise nicht doch vierzehn Tage dauern sollte. Unauffällig musterte sie die anderen Teilnehmer. Es war nicht zu leugnen, dass Johanna den Altersdurchschnitt um mindestens zwanzig Jahre senkte. Sie war eindeutig die Jüngste der Gruppe. Wenn man von diesem Typen in roter Hose absah, der anscheinend der Reiseleiter war. Er war ungefähr
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