Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
gelöst. Finchen hatte plötzlich das Gesicht ihrer achtjährigen Nichte Johanna vor Augen. Wann war dieses Kind eigentlich so erwachsen geworden?
»Was schreibst du denn die ganze Zeit?«
Johanna sah erschrocken hoch. »Was? Ach so, ich habe mir überlegt, dass ich doch mal einen Bericht über den neuen Tourismus in Schleswig-Holstein machen könnte. Kruse hat heute so viel erzählt, ich schreibe nur ein paar Stichworte auf. Das kann ich dann zu Hause recherchieren.«
»Neuer Tourismus in Schleswig-Holstein?« Finchen wickelte die Strähne wieder aus und drehte eine neue ein. »Was ist denn daran so spannend? Ein paar Hotels und schöne Landschaft. Also sensationell finde ich das nicht.«
Achselzuckend klappte Johanna das Notizbuch zu und warf es auf den Nachttisch. »Vielleicht hast du recht. Sag mal, ist dieser Lockenstab nicht wahnsinnig schädlich für die Haare? Das macht doch heute kein Mensch mehr.«
»Leider.« Finchen ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und drehte weiter. »Deshalb gibt es auch so viele Frauen ohne Frisuren. Hast du dich mal im Bus umgeguckt? Lauter praktische Kurzhaarfrisuren, das ist doch fürchterlich. Undalle haben denselben Schnitt, die meisten kannst du gar nicht voneinander unterscheiden. Das muss doch nicht sein. Willst du nicht mal duschen? Und dich ein bisschen hübsch machen? Ich habe dir extra diesen schicken Hosenanzug gekauft. Den kannst du doch zum Essen tragen.«
»Wozu?«, fragte Johanna überrascht. »Für dieses Restaurant reicht wirklich eine Jeans. Ich kann ja eine Bluse anziehen.«
»Johanna, bitte.« Finchens Stimme wurde schmeichelnd. »Du weißt, wie ich es hasse, wenn man nachlässig zum Essen geht.«
»In diesem Saal riecht es dermaßen nach alter Fritteuse, dass ich den Anzug sofort danach in die Reinigung bringen muss.«
»Die zahle ich dir.« Aus dem schmeichelnden wurde ein Befehlston. »Jetzt komm. Tu es mir zuliebe.«
Mit einem langen Blick auf ihre Tante erhob Johanna sich zögernd vom Bett. »Manchmal wirst du komisch, Tante Finchen. Okay, ich gehe jetzt unter die Dusche. Aber komm nicht auf die Idee, mir auch noch mit dem Lockenstab die Haare machen zu wollen.«
Freundlich hielt Finchen ihrem Blick stand. »Du würdest bestimmt hübsch aussehen mit ordentlichen Locken. Aber du kannst die Haare auch hochstecken. Das geht dann schneller.«
Sie wartete, bis sie hörte, dass Johanna die Dusche angestellt hatte. Dann griff sie zum Telefon auf dem Nachttisch und tippte eine Nummer ein.
»Hallo, Max, hier ist Josefine … hörst du mich nicht?« Offensichtlich funktionierte die Verbindung nicht. Sie legte den Hörer wieder auf.
»Und warum sollte man sich das jetzt angucken?« Walter saß auf dem Bett und beobachtete seinen Schwager beim Schuheputzen. »Für ein blödes Baugrundstück hast du dir so die Schuhe eingesaut. Da vorn an der Spitze klebt immer noch ein halber Wald.«
Unbeeindruckt bürstete Heinz das braune Leder und ließ die kleinen Lehmbrocken auf die ausgebreitete Zeitung fallen. »Das war sehr hübsch. Auch die Zeichnung auf dem Schild. Der Herr Kruse hat uns auf dem Weg zum Bus erzählt, dass er schon immer an dieser Stelle wohnen wollte. Und jetzt gibt es endlich eine Baugenehmigung und er hat da wohl eine Wohnung gekauft. Anscheinend ist er so stolz darauf, dass er die Baustelle jedem zeigen muss. Dir hätte dieser kleine Spaziergang auch nicht geschadet. Hat Dennis Tacke eigentlich noch mal was zu dir gesagt?«
»Was soll der mir denn sagen«, knurrte Walter. »Der Wichtigtuer soll bloß kommen, dann hat es sich aber ausgetuckert.«
»Tackert.« Heinz hob kurz den Kopf. »Es muss ›ausgetackert‹ heißen, wenn du schon solche Wortspielchen machst. Weil er Tacke heißt.« Konzentriert putzte er weiter. »Johanna ist ganz unglücklich. Stell dir mal vor, der Mann von ihr hat ein Techtelmechtel mit einer Schriftstellerin gehabt. Und die hat heute Abend in Kappeln auch noch zufällig eine Veranstaltung.«
»Woher weißt du das denn?«
»Das hat sie mir beim Spaziergang erzählt. Johanna hat heute Mittag in der Buchhandlung ein Ankündigungsplakat gesehen. Sie war ganz durcheinander. Das ist aber auch ein blöder Zufall.«
Walter rappelte sich umständlich vom Bett hoch und streckte sich. »Du willst mir aber nicht vorschlagen, dasswir heute Abend zu der Veranstaltung gehen und die Sache in Ordnung bringen, oder? Deine Tochter hat kürzlich schon gedroht, dich ins Altersheim zu stecken, wenn du dich noch mal in ihr Leben
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