Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
musterte die Teilnehmer. Plötzlich lächelte er.
»Sie werden sich fragen, warum wir uns überhaupt mit diesen Dingen beschäftigen. Das kann ich Ihnen erklären. Die Firma ›Ostseeglück‹ hat sich die Worte ›Verantwortung für unsere Senioren‹ auf die Fahne geschrieben. Unser geschätzter Firmengründer Dr. Theo von Alsterstätten hat schon vor Jahren erleben müssen, wie seine geliebte Mutter ein Opfer von gewissenlosen Anlagespekulanten wurde. Sie hatte das Erbe der Familie einem sogenannten ›Berater‹ anvertraut. Naiv, blauäugig, vertrauensvoll war sie. Was hates ihr genützt? Sie ahnen es schon, meine verehrten Damen und Herren, nichts. Gräfin von Alsterstätten hat alles, ja wirklich alles verloren.« Walter beugte sich zu Johanna und murmelte: »Ich muss mich gleich übergeben. Was redet der denn da?«
»Herr Müller?« Dennis Tacke hatte ein unfassbar gutes Gehör. »Haben Sie eine Zwischenfrage?«
Walter sah ertappt hoch, hatte sich aber sofort wieder im Griff. »Nein – oder doch. Wie hieß denn der Berater?«
Dennis Tacke starrte ihn ratlos an. »Ich glaube, das tut hier nichts zur Sache. Kennt man einen, kennt man alle.«
»Also, das sehe ich …« Walter war aufgestanden, wurde aber sofort von Heinz zurückgezogen. »Walter, bitte. Herr Tacke, fahren Sie ruhig fort.«
»Ja. Danke. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Die sogenannten Berater.«
Ein kurzer warnender Blick in Walters Richtung, dann war er wieder in der Spur.
»Jahrelang wurde in diesem Land gespart, angelegt und in Rentenkassen oder in Lebensversicherungen eingezahlt. Man freute sich auf den goldenen Herbst des Lebens, in dem man es sich gut gehen lassen wollte. Eine kleine Reise ab und zu, Geschenke für Kinder und Enkelkinder, hier und da ein Restaurant- oder Theaterbesuch. Was waren das für Zukunftsaussichten. Und dann kamen die Finanzmärkte ins Trudeln und alle fragen sich, wohin das noch führen soll. Fragen Sie sich das auch? Denken auch Sie gerade darüber nach, wo Ihr schwer verdientes Geld liegt und wie viel davon noch übrig ist?«
Johanna sah sich um, einige der Zuhörer nickten betroffen. Andere, wie Annegret Töpper oder die Schwestern aus Papenburg, starrten mit leeren Gesichtern auf einenbeliebigen Punkt im Raum. Finchen versuchte aus ihrer Papierserviette einen Flieger zu basteln, während Walter sich wieder Notizen auf Bierdeckeln machte. Patrick Dengler wirkte angespannt und Heinz lächelte ihr zu.
»Was machen denn die Fachleute?« Tacke hatte seine Stimme erhoben. »Die Banker, die Manager, all die, die sich mit Finanzen auskennen? Soll ich Ihnen sagen, was die tun?«
Wieder eine Pause. Wieder sehr wirkungsvoll.
»Sie kaufen andere Produkte. Sie kaufen Edelmetalle wie Gold und Silber, sie kaufen Rohstoffe wie Öl, auch Kupfer, und sie investieren in Immobilienfonds. Aber was hat das mit uns zu tun, werden Sie mich fragen. Ich kann es Ihnen sagen. Ich kann Ihnen helfen, die richtige Entscheidung zu treffen, um auf die Finanzkrise zu reagieren. Frau Wagner? Das Bild bitte.«
Hinter ihm löste die Zeichnung der weißen Wohnanlage, die sie vorhin auf dem Schild gesehen hatten, das graue Gesicht der alten Dame ab, die in ihrem grauen Mantel vor der grauen Mülltonne stand.
»Wohnensemble Strandglück«
Ein erleichtertes Raunen ging durch den Saal.
»Ein Stück vom Paradies«, tönte Dennis Tacke und zeigte dabei auf Michael Kruse, der aufgestanden war. »Und er hat es gefunden. Herr Kruse, bitte, Sie haben das Wort.«
M it Blick auf das Display ihres Handys war Johanna den Parkplatz abgeschritten. Sie hatte es auf der linken Seite versucht, dann rechts, war in Richtung Straße gegangen, alles ohne Erfolg. Es gab hier einfach kein Netz. Dieses Funkloch musste riesig sein. Entmutigt hatte sie sich auf einen Baumstumpf gesetzt. Sie musste unbedingt Daniel anrufen, es sollte nur niemand mithören. In ihrem Zimmer war das Telefon angeblich kaputt, das hatte zumindest die Frau an der Rezeption gesagt. Johanna hatte sie skeptisch angeguckt, aber auch das hatte nicht geholfen.
Und jetzt saß sie hier draußen mit einem Prospekt vom »Wohnensemble Strandglück« in der Hand. »Timesharing – Ferien, wann immer Sie wollen« stand in großen roten Buchstaben über dem aufwendigen Faltblatt. Johanna hatte den Begriff schon mal gehört, aber keine Ahnung, was dahintersteckte. Sie brauchte dringend Informationen, aber sie kam nicht ins Internet und sie konnte nicht telefonieren. Es war zum
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