Herzraub
am besten aus der Affäre käme.
„So sollten wir aber nicht auseinander gehen.“ Er sagte es gegen die Wut in ihren Augen.
Sie blickte auf die Rosen hinunter. „Schöne Blumen.“ Plötzlich ergriff sie den Strauß und schmetterte ihn in sein Gesicht.
„Fuck yourself!“ Sie stand auf und stürmte po-schwingend hinaus, als wolle sie ihm noch einmal zeigen, was er an ihr verloren hatte.
„‹Macceroni al forno‹ und ›spaghetti alle verdure‹!“ Der Kellner stellte das Hauptgericht auf den Tisch.
„Die Dame ist gegangen, Sie können das wieder mitnehmen. – Einen Grappa, bitte!“ Claus Saalbach stocherte in seinem Gratin herum, schob es dann aber zur Seite. Kurz darauf kam der Schnaps, und er kippte ihn in einem Zug hinunter. Er befühlte sein Gesicht, das die Dornen verschrammt hatten, und musste lächeln.
„Noch einen Grappa!“ Er atmete tief durch. Wieder einmal feierte er seine wiedergewonnene Freiheit.
13
Claus Saalbach telefonierte mit dem Bestatter.
„Ich würde Ihnen davon abraten, Ihren Sohn noch einmal zu sehen“, sagte der Bestatter. „Wissen Sie, es ist nicht wie bei normalen Toten …“
„Wieso? Es war doch eine Art Operation.“
„Ja, das wird immer gesagt. Aber eine Ex ist nun mal eine Ex.“
„Eine Ex?“, wiederholte Saalbach.
„Ja, eine Explantation, eine Entnahme. Also, ich rate Ihnen entschieden davon ab. Sie glauben ja gar nicht, was für Leichen, also, was mir da schon alles unter die Hände gekommen ist.“
In der Leitung blieb es still.
„Sind Sie noch da?“, fragte der Bestatter.
„Ja. Ich danke Ihnen für die Information, aber ich muss meinen Sohn noch einmal sehen.“
„Na gut, wenn Sie sich das unbedingt antun wollen. Es ist alles vorbereitet. Wann wollen Sie kommen?“
„In einer Stunde.“ Claus Saalbach legte mit zitternden Händen auf. Würde er das schaffen? Plötzlich fühlte er sich wieder überfordert. Er rief seinen Freund Heiner an.
Heiner Wentorf hatte mit Mühe eine Parklücke in der Wandsbeker Königstraße gefunden und eilte zu dem Apartmenthaus hinüber. Claus Saalbach stand schon unten. Sein Trench war falsch zugeknöpft, und trotz des milden Wetters schien er zu frieren.
„Du musst verrückt sein“, sagte Heiner anstelle einer Begrüßung. „Du hättest auf den Bestatter hören sollen.“
Saalbach stieg wortlos in den Saab ein. Er war froh, dass er jetzt weiter nichts tun musste, zum Autofahren wäre er außerstande gewesen. Er zündete sich eine Zigarette an.
Sie fuhren über Bramfeld nach Sasel. Wie seine Mutter sollte Alexander Osswald auf dem Bergstedter Friedhof begraben werden, und deshalb hatte Claus Saalbach ein Bestattungsinstitut im nahen Sasel ausgesucht.
Der weiße Klinkerbau lag auf einem parkähnlichen Gelände und wirkte modern und unprätentiös. Das Firmenschild im Vorgarten verkündete schlicht ›Manfred Busse – Bestattungen. Ihr Partner im Trauerfall‹ und war einzig mit einer Urne und einem Ölzweig geschmückt. Also weder das alteingesessene Unternehmen („über 250 Jahre Familientradition“) noch der Sarg-Discounter. Heiner Wentorf ging voran. Im Eingangsbereich wurden sie von einer schwarz gekleideten jüngeren Dame empfangen, die sofort den Chef herbeitelefonierte.
„Busse.“ Der Inhaber, ein Mann in mittleren Jahren, trug schwarzen Anzug, weißes Oberhemd, schwarze Krawatte und schwarze Schuhe. Die Gelfrisur ließ sein Haar dunkler erscheinen als es war, am Handgelenk blitzte eine Rolex auf. Fragend sah er die beiden Besucher an.
„Saalbach“, sagte Claus Saalbach. „Mein Freund, Herr Wentorf.“
„Ah, ja.“ Herr Busse fixierte Alexanders Vater, als wolle er prüfen, ob dieser den folgenden Härteminuten auch wirklich gewachsen war. „Bitte kommen Sie.“
In der kleinen, weiß gekalkten Trauerhalle fing ein fast wandhohes Kreuz ihren Blick, die umlaufenden Nischen waren mit buntem Glasmosaik ausgelegt.
In der Raummitte, neben körperhohen Kerzenständern und Blumenarrangements, stand auf einem Podest der Eichensarg.
Claus Saalbach und Heiner Wentorf hielten sich in einigen Metern Entfernung. Der Bestatter schraubte den Sargdeckel ab.
„Ich lasse Sie jetzt allein.“
Heiner Wentorf gab seinem Freund einen Wink, heranzutreten. Mit angstvollen Augen erwiderte dieser seinen Blick, dann beugte er sich über den Sarg.
„Nein!!“ Claus Saalbach stieß einen Schrei aus und presste im selben Moment die Hand auf den Mund. Er wich zurück, ließ seinen Begleiter
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