Herzraub
– Die war vor zwei Jahren. Das heißt, Mitte Dezember? – Gut. Danke, Frau Imhoff.“
Danzik lehnte sich zurück und kreuzte die Arme hinter dem Kopf. „Ja, mein lieber Torsten. Dann mach dich mal auf ins Archiv. “
„Du meinst, die haben was?“
„Aber sicher doch. Celia Osswald hat damals Anzeige erstattet, und über die Telecom wurde der Name der Anruferin ermittelt.“
Tügel stand auf und griff nach seiner schwarzen Lederjacke.
„Halt, noch einen Moment. Was hast du wegen der Autos rausgekriegt?“
„Steinmann fährt einen BMW 735, Saalbach einen Fiat Tipo, die Imhoff einen Renault 19, und ihr Mann einen Opel Astra.“
„Na, da ist ja alles vertreten. Und sogar unser Fundort-Wagen ist dabei.“
„Der Renault.“
„Genau.“
„Aber ich weiß nicht, die Imhoff …“ Tügel zupfte an seinem Ohrring. Dieser Ring irritierte Danzik täglich aufs Neue. War das nicht ein Zeichen für Schwulsein? Er kannte sich da nicht aus, musste sich endlich mal danach erkundigen.
„Warum nicht? Geld – ein bärenstarkes Motiv. Hol dir mal einen Durchsuchungsbeschluss und durchleuchte die finanziellen Verhältnisse der Imhoffs.“
„Okay, Chef.“ Wenn er ›Chef‹ sagte, legte Tügel immer dieses impertinente Grinsen auf. „Und was machst du jetzt?“
„Ich versuch mal, über diese Journalistin was rauszubekommen – “
„Die schöne Laura.“
„Ja, genau die.“ Danzik bemühte sich, möglichst neutral zu gucken und scheuchte seinen Kollegen mit einer Bewegung hinaus.
14
Laura Flemming hatte ihn wie versprochen angerufen, und sie hatten sich, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, in einem italienischen Lokal verabredet. Ja, auch sie sei sehr italophil, hatte sie gesagt, sei schon oft in Italien gewesen, wie oft, könne sie gar nicht mehr zählen. Vielleicht der allererste gemeinsame Nenner, hatte Danzik erfreut gedacht. Obwohl es ja nichts Besonderes war. Alle Großstädter mit Geschmack waren heutzutage italophil, man bestellte ›due espressi‹, sagte ›grazie‹ und verlangte ›il conto, per favore‹. Und ein Ende dieser Lebensart – manche sagten ›Lifestyle‹ – war gottlob nicht abzusehen.
Werner Danzik saß im hintersten Teil des ›Palazzo‹ an der Rothenbaumchaussee und spielte mit seiner aprikosenfarbenen Serviette. Würde Laura das gefallen? Orangerot lackierte Vertäfelungen, Blumenbilder in Öl, schwarzes Thonet-Gestühl, weiße Tischdecken. Eine geschmackvolle Kombination, fast asiatisch. Eben das, was man erwarten konnte. Die Decke vielleicht zu niedrig. Hoffentlich bekam er hier nicht Luftnot oder einen Allergieausbruch. Unwillkürlich zog er ein Tempo aus der Tasche. Er blickte zur Decke. Luftabzüge waren zum Glück vorhanden und jetzt, am Mittag, saßen nur wenige Geschäftsleute in dem L-förmigen Raum.
Er sah auf die Uhr, fünf Minuten über die Zeit, und da kam sie auch schon mit leichten, schnellen Schritten auf ihn zu. Ein offener rosabrauner Kaschmirmantel – dafür hatte er einen Blick – , darunter ein schwarzes Kostüm mit offensichtlich nichts drunter. Die blond gesträhnten Haare hatte sie diesmal hochgesteckt, was ihre unnahbare Schönheit noch unterstrich.
„Hallo!“ Sie lächelte mit geschlossenem Mund, und er sprang auf, nahm ihr den Mantel ab und rückte ihr den Stuhl zurecht. Auf einem Stuhl daneben legte sie eine große elegante Business-Tasche ab.
„Haben Sie schnell einen Parkplatz gefunden?“, fragte er.
„Ja, irgendwie geht’s immer. Und mein Renault ist ja auch nicht so lang.“
„Renault“, wiederholte er. „Dieses Auto ist, glaube ich, bei Damen ziemlich beliebt, oder?“
Sie sah ihn erstaunt an. „Keine Ahnung. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.“
„Einen Prosecco vorweg?“
„Gern.“
Der Ober brachte die Speisekarten. Danzik versuchte, die aufgeführten Köstlichkeiten zu lesen, irrte aber immer wieder zu Laura Flemmings dezent geschminkten Lippen ab. Eine sinnliche Unterlippe …
„Ich kann mich auch nie entscheiden“, sagte sie. „Aber heute sind wir ja nicht zu einer kulinarischen Orgie zusammengekommen. Ich nehme also kurz entschlossen die ›Penne all’arrabiata‹ …“
„Die rabiaten Nudeln“, lächelte er. „Können Sie das verkraften?“
In Laura Flemmings tiefblauen Augen blitzte es. „Ich kann allerhand vertragen. Das sehen Sie ja an dem Thema, mit dem ich mich beschäftige.“
Der Ober nahm die Bestellung auf. „Ich nehme das Gleiche“, sagte Danzik.
„Und Sie
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