Herzschlag der Nacht
können.«
Alle verstummten respektvoll.
Ein kalter Schauer lief Christopher über den Rücken. Er sah zu Leo, der verwundert mit den Schultern zuckte.
»Was kann es sein?«, flüsterte Beatrix.
Christopher schüttelte den Kopf, ohne den Blick von seinem Großvater abzuwenden. »Gott stehe mir bei, ich weiß es nicht.«
»Bevor ich nach Hampshire aufbrach«, fuhr Annandale fort, »gab mir seine Durchlaucht der Herzog von Cambridge Kenntnis, dass mein Enkel mit dem Victoria-Kreuz ausgezeichnet werden soll. Die Medaille, die erst im vergangenen Januar eingeführt wurde, ist die höchstmögliche militärische Auszeichnung für besondere Tapferkeit vor dem Feind. Die Königin selbst wird sie Captain Phelan in einer feierlichen Zeremonie im kommenden Juni in London verleihen.«
Alle Anwesenden jubelten und prosteten Christopher zu. Ihm wurde eiskalt. Er wollte das nicht, nicht noch ein verdammtes Stück Metall, das ihm an die Brust gesteckt wurde, nicht noch eine verfluchte Zeremonie, in der er für Ereignisse geehrt wurde, an die er sich nicht erinnern wollte. Und dass diese Ankündigung den süßesten Moment seines Lebens störte, war widerwärtig. Er verfluchte seinen Großvater dafür, dass er ihn nicht mit einem Wort vorgewarnt hatte.
»Wofür wird das Victoria-Kreuz verliehen, Mylord?«, fragte jemand.
Annandale blickte lächelnd zu Christopher. »Vielleicht kann mein Enkel es erraten.«
Christopher schüttelte den Kopf und sah ihn ausdruckslos an.
Der Earl wirkte sichtlich pikiert ob Christophers demonstrativem Mangel an Begeisterung. »Captain Phelan wurde für diese Ehre von einem Regimentsoffizier vorgeschlagen, der berichtete, dass er ihn unter heftigem Beschuss einen verwundeten Offizier vom Schlachtfeld tragen und in Sicherheit bringen sah. Unsere Männer waren bei dem Versuch, russische Gewehrsstellungen einzunehmen, zurückgedrängt worden. Nachdem er den Offizier gerettet hatte, hielt Captain Phelan die Stellung, bis Hilfe kam. Die russischen Stellungen wurden eingenommen, und der verwundete Offizier Leutnant Fenwick wurde gerettet.«
Christopher traute seiner Stimme nicht, als ein Schwall von Jubelrufen und Gratulationen auf ihn einstürmte. Er zwang sich, seinen Champagner auszutrinken, still zu stehen und ruhig zu erscheinen, während er spürte, dass er gefährlich nahe an einem düsteren Abhang wankte. Irgendwie schaffte er es, den Wahnsinn im Zaum zu halten und jene Distanz einzunehmen, die er gleichermaßen brauchte wie fürchtete.
Bitte, guter Gott, nicht für die Rettung von Fenwick!
Kapitel 23
B eatrix, die deutlich fühlte, wie heikel und trügerisch Christophers Stille war, wartete, bis er seinen Champagner ausgetrunken hatte. »Ach, du liebe Güte«, sagte sie laut genug, dass die Leute um sie herum sie hörten, »ich fürchte, von all der Aufregung bin ich etwas erhitzt. Captain Phelan, würde es Ihnen etwas ausmachen, mich in den kleinen Salon zu begleiten?«
Ihre Bitte wurde rundum mit verständnisvollem Gemurmel quittiert, wie die Zartheit einer jeden Frau stets gut aufgenommen wurde.
Beatrix gab sich Mühe, zerbrechlich und schwach auszusehen, als sie sich an Christophers Arm klammerte und von ihm aus dem Salon führen ließ. Anstatt in den kleinen Salon gingen sie jedoch hinaus zu einer Bank im Garten.
Dort setzten sie sich wortlos hin. Christopher legte einen Arm um sie und presste seinen Mund auf ihr Haar. Beatrix lauschte den nächtlichen Klängen aus dem Wald in der Nähe: leises Gezwitscher, Rascheln, das melodische Geplauder der Frösche, die Flügelschläge von Vögeln und Fledermäusen. Schließlich hob sich Christophers Brust und senkte sich mit einem langen Seufzer.
»Es tut mir leid«, sagte sie leise, wohlwissend, dass er an Mark Bennett dachte, den Freund, den er nicht retten konnte. »Ich weiß, warum diese Medaille dir so verhasst ist.«
Christopher antwortete nicht. Die nahezu greifbare Spannung, die von ihm ausging, verriet ihr, dass von allen dunklen Erinnerungen diese eine der schlimmsten war.
»Ist es möglich, die Medaille abzulehnen?«, fragte sie. »Sie nicht anzunehmen?«
»Nicht freiwillig. Ich müsste etwas Ungesetzliches oder Böses anstellen, um die Ausschlussklausel zum Wirken zu bringen.«
»Wir könnten ein Verbrechen planen, das du begehst«, schlug Beatrix vor. »Ich bin gewiss, dass meine Familie einige exzellente Vorschläge machen würde.«
Erst jetzt sah Christopher zu ihr. Im Mondlicht waren seine Augen wie versilbertes Glas.
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