Herzschlag der Nacht
Riverton erben. All das macht ihn zu fast so einer guten Partie wie ein Mitglied des Hochadels.«
Dieselbe Oberflächlichkeit, die Beatrix früher amüsiert hatte, löste plötzlich einen Anflug von Verärgerung bei ihr aus. Christopher hatte weit mehr verdient, als wegen seines Erbes und seiner Auszeichnungen geschätzt zu werden.
»Ist dir einmal der Gedanke gekommen, dass er sich durch den Krieg verändert haben könnte?«, fragte sie betont ruhig.
»Nun, er könnte immer noch verwundet werden, aber das will ich nicht hoffen.«
»Ich meinte auch eher, dass er sich charakterlich verändert hätte.«
»Weil er in der Schlacht war?« Prudence zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, dass es gewisse Eindrücke bei ihm hinterlässt.«
»Hast du die Berichte über ihn verfolgt?«
»Ich war sehr beschäftigt«, erwiderte Prudence ein wenig empört.
»Captain Phelan gewann die Medjidie -Medaille, weil er einen verwundeten türkischen Offizier rettete. Wenige Wochen später kroch er in ein Waffenmagazin, das gerade beschossen worden war und in dem sich zehn getötete Franzosen und fünf defekte Gewehre befanden. Er stellte sich an das einzige noch intakte Gewehr und hielt allein acht Stunden lang die Stellung gegen den Feind. Bei anderer Gelegenheit …«
»Ich muss das alles nicht hören«, unterbrach Prudence sie. »Worauf willst du hinaus, Bea?«
»Darauf, dass er als veränderter Mann zurückkehren könnte. Und wenn dir an ihm liegt, solltest du versuchen zu begreifen, was er durchgemacht hat.« Sie reichte Prudence ein Bündel Briefe, die von einem schmalen blauen Band zusammengehalten wurden. »Am besten liest du zuerst einmal die hier. Ich hätte eine Abschrift von meinen Briefen an ihn machen sollen, sodass du auch die lesen könntest. Aber leider war es mir nicht in den Sinn gekommen.«
Widerwillig nahm Prudence die Briefe entgegen. »Na schön, ich lese sie. Aber ich bin gewiss, dass Christopher nicht über Briefe reden will, wenn er zurück ist. Dann hat er mich ja bei sich.«
»Dennoch solltest du dich bemühen, ihn besser kennenzulernen«, sagte Beatrix. »Ich denke, dass du ihn aus den falschen Gründen willst … obgleich es so viele richtige Gründe gibt. Er hat es verdient, und nicht wegen seiner Tapferkeit auf dem Schlachtfeld und all der glänzenden Medaillen. Eigentlich machen die nur einen winzigen Teil von ihm aus.« Eine Weile lang schwieg Beatrix und dachte wehmütig, dass sie fortan lieber Menschen mied und ihre Zeit hauptsächlich mit Tieren verbrachte. »Captain Phelan hat geschrieben, dass die Male, die ihr euch begegnet seid, keiner von euch hinter die Fassade blickte.«
»Welche Fassade?«
Beatrix sah sie entgeistert an. In diesem Augenblick ging ihr auf, dass bei Prudence unter der Oberfläche nur noch mehr Oberfläche wartete. »Er sagte, du könntest seine einzige Chance sein, wieder Teil der Welt zu werden.«
Prudence betrachtete sie mit einem seltsamen Blick. »Vielleicht ist es doch besser, dass du ihm nicht mehr schreibst. Du scheinst mir ziemlich für ihn eingenommen. Du denkst hoffentlich nicht, dass Christopher jemals …« Sie verstummte kurz. »Ach, was soll’s?«
»Ich weiß, was du sagen wolltest«, entgegnete Beatrix ruhig. »Natürlich mache ich mir diesbezüglich keinerlei Illusionen. Ich habe nicht vergessen, dass er mich einst mit einem Pferd verglich.«
»Er hat dich nicht mit einem Pferd verglichen, sondern bloß gesagt, dass du in den Stall gehörst. Wie auch immer, er ist ein vornehmer, gebildeter Mann und wäre niemals mit einer Frau glücklich, der die Gesellschaft von Tieren lieber ist als die von Menschen.«
»Fürwahr ziehe ich Tiere jedem Menschen vor, den ich kenne«, entfuhr es Beatrix, was sie umgehend bereute, denn Prudence nahm die Bemerkung offensichtlich als persönlichen Affront. »Entschuldige, ich meinte nicht …«
»Dann gehst du wohl besser. Geh schon zu deinen Tieren«, fiel Prudence ihr frostig ins Wort. »Du unterhältst dich zweifellos lieber mit jemandem, der dir keine Widerworte gibt.«
Beschämt und verwirrt hatte Beatrix Mercer House verlassen, allerdings nicht bevor Prudence noch sagte: »Um unserer aller willen musst du mir versprechen, Captain Phelan niemals zu erzählen, dass du die Briefe geschrieben hast, Bea. Es wäre ohnedies sinnlos, denn selbst wenn du es ihm sagtest, würde er dich immer noch nicht wollen. Folglich wäre eine derartige Enthüllung nichts als peinlich und böte Anlass für Vorhaltungen. Ein Mann
Weitere Kostenlose Bücher