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Herzschlag der Nacht

Herzschlag der Nacht

Titel: Herzschlag der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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durch die Äste und Zweige über ihr fiel. Blassgrünes Moos wucherte auf den Baumrinden, und hie und da taten sich größere Lücken auf, wo Holz zu Staub zerfallen war. Der Waldboden war weich von regennasser Erde, die wiederum von papiernem Laub, Farnen und Weidenkätzchen bedeckt wurde. Auch die Geräusche waren vertraut: das Vogelzwitschern und Blätterrauschen sowie das Rascheln und Knistern unzähliger kleiner Kreaturen.
    Doch bei aller Vertrautheit mit diesen Wäldern spürte Beatrix auch etwas Neues. Sie ahnte, dass sie vorsichtig sein sollte, denn eine merkwürdige Spannung lag in der Luft. Je weiter sie ging, desto stärker wurde das Gefühl. Ihr Herz benahm sich komisch, und sie fühlte ihren Puls in den Handgelenken, am Hals und selbst in den Kniekehlen.
    Auf einmal sah sie eine Bewegung weiter vorn, eine Gestalt, die geduckt zwischen den Bäumen entlanghuschte und das Unterholz zum Wogen brachte. Es war keine menschliche Gestalt.
    Beatrix nahm einen heruntergefallenen Ast auf und brach ihn geübt auf die Länge eines Spazierstocks.
    Die Gestalt erstarrte, und Stille legte sich über den Wald.
    »Na, komm her«, rief Beatrix.
    Ein Hund sprang über die Büsche und Sträucher auf sie zu. Er stieß das scharfe Kläffen eines Terriers aus, bevor er wenige Meter vor Beatrix stehen blieb, knurrte und die Zähne fletschte.
    Beatrix blieb ruhig und musterte den Hund. Er war sehnig und hatte drahtiges Fell, bis auf lustige Puschel über seinem Gesicht und an den Ohrspitzen. Und seine ausdrucksvollen, leuchtenden Augen waren rund wie Shilling-Münzen.
    Dieses Gesicht war unverwechselbar. Beatrix hatte es schon vorher gesehen.
    »Albert?«, fragte sie verwundert.
    Der Hund zuckte mit den Ohren und knurrte wieder, diesmal jedoch eindeutig verwirrt.
    »Er hat dich mit nach Hause gebracht«, sagte Beatrix und ließ ihren Stock fallen. Tränen brannten ihr in den Augen, und gleichzeitig musste sie lachen. »Ich bin so froh, dass du heil aus dem Krieg zurück bist. Komm, Albert, lass uns Freunde sein.« Sie rührte sich nicht, sondern wartete, bis der Hund sich vorsichtig näherte. Er schnüffelte an ihren Röcken und umkreiste sie langsam. Einmal fühlte sie seine kalte Nase seitlich an ihrer Hand. Sie versuchte nicht, ihn zu streicheln, denn zunächst sollte er ihren Geruch prüfen und für sich befinden, dass sie keine Gefahr war. Als sie sah, wie sich seine Miene veränderte, die Kiefermuskeln entspannten und er die Schnauze leicht öffnete, sagte sie mit fester Stimme: »Sitz, Albert.«
    Prompt hockte er sich hin. Ein Winseln drang aus seiner Kehle. Beatrix streckte eine Hand aus, strich ihm über den Kopf und kraulte ihn hinter den Ohren. Albert hechelte erfreut und schloss die Augen halb.
    »Du bist ihm also weggelaufen, ja?«, fragte Beatrix, während sie den rauen Haarpinsel auf seinem Kopf glättete. »Ungezogener Junge. Ich nehme an, du hast dich mit der Jagd nach Kaninchen und Eichhörnchen vergnügt. Und es geht das unerfreuliche Gerücht, ein Huhn würde fehlen. Halt dich lieber fern von Hühnerhöfen, sonst wird es für dich in Stony Cross nicht gut enden. Soll ich dich nach Hause bringen, mein Kleiner? Er sucht gewiss schon nach dir, denn …«
    Sie verstummte, weil sie ein Geräusch hörte. Etwas, nein, jemand bewegte sich durchs Dickicht. Albert wandte den Kopf, stieß ein fröhliches Bellen aus und sprang auf die nahende Gestalt zu.
    Beatrix richtete sich zögerlich auf. Sie hatte Mühe, ruhig zu atmen und das holprige Pochen ihres Herzens zu bändigen. Unterdes kam der Hund vergnügt und mit hängender Zunge zu ihr zurückgesprungen und sah sich zu seinem Herrn um, als wollte er sagen: Sieh mal, was ich gefunden habe!
    Langsam atmete Beatrix aus und blickte zu dem Mann auf, der ungefähr drei Meter entfernt von ihr stehen geblieben war.
    Christopher.
    Es schien, als stünde die Welt still.
    Beatrix versuchte, den Mann vor sich mit dem zügellosen Lebemann zu vergleichen, der er früher gewesen war. Doch es kam ihr unmöglich vor, dass sie ein und derselbe Person waren. Christopher Phelan sah nicht mehr wie ein Gott aus, der soeben vom Olymp herabgestiegen war, sondern wie ein Kämpfer, verhärmt von bitteren Erfahrungen.
    Seine Erscheinung war eine Mischung aus Gold und Kupfer, als wäre er in Sonnenlicht getaucht worden. Die Locken von der Farbe dunklen Weizens waren kurz geschnitten, seine Gesichtszüge reglos, auch wenn etwas Unstetes in dieser Ruhe lag.
    Wie freudlos und einsam er wirkte.
    Sie

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