Herzschlag der Nacht
wollte zu ihm laufen, ihn berühren. Still zu stehen kostete sie eine ungeheure Anstrengung, und all ihre Muskeln bebten vor Ungeduld.
Dann hörte sie sich mit leicht zittriger Stimme sagen: »Willkommen daheim, Captain Phelan.«
Er blieb stumm, starrte sie fremd an. Gütiger Gott, diese Augen waren wie Frost und Feuer. Sein Blick brannte auf Beatrix’ erhitztem Gesicht.
»Ich bin Beatrix Hathaway«, brachte sie mühsam heraus. »Meine Familie …«
»Ich erinnere mich an Sie.«
Der raue und zugleich samtige Klang seiner Worte war wie ein Streicheln. Fasziniert und verwirrt sah Beatrix ihn an.
Für Christopher Phelan war sie eine Fremde, und dennoch schwebte die Erinnerung an seine Briefe zwischen ihnen, selbst wenn er es nicht ahnte.
Sanft strich sie über Alberts drahtiges Fell. »Man hat Sie in London vermisst«, sagte sie. »Es wurde einiges Aufheben um Sie gemacht.«
»Ich war nicht bereit dafür.«
Diese wenigen Worte sagten so vieles. Natürlich war er nicht bereit. Der Kontrast zwischen der blutgetränkten Realität des Krieges und den Fanfaren und dem Blumenmeer der Paraden wäre zu verstörend. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendein Mann wäre«, sagte sie. »Es war ein rechter Aufruhr. Ihr Bild steht in sämtlichen Ladenfenstern, und man benennt Dinge nach Ihnen.«
»Dinge?«, wiederholte er fragend.
»Es gibt einen Phelan-Hut.«
Er runzelte die Stirn. »Nein, gibt es nicht.«
»O doch, den gibt es. Mit rundem Kopf und schmaler Krempe. Er wird in Grau oder Schwarz angeboten. Einen stellen sie beim Hutmacher in Stony Cross aus.«
Mürrisch raunte Christopher etwas vor sich hin.
Beatrix spielte behutsam mit Alberts Ohren. »Ich … hörte von Albert … durch Prudence. Wie reizend, dass Sie ihn mit heimgebracht haben.«
»Das war ein Fehler«, erwiderte er matt. »Er benimmt sich wie tollwütig, seit wir in Dover an Land gingen. Bereits zwei Male hat er versucht, Leute zu beißen, einschließlich einen meiner Bediensteten. Und er hört nicht auf zu kläffen. Ich musste ihn letzte Nacht in einen Gartenschuppen sperren, und aus dem ist er entkommen.«
»Er hat Angst«, sagte Beatrix. »Und er glaubt, wenn er sich so verhält, tut ihm niemand etwas.« Begeistert stellte sich der Hund auf die Hinterbeine und lehnte die Vorderpfoten gegen Beatrix. Sie stieß ihm sanft mit dem Knie in die Brust.
» Hier!« , befahl Christopher in einem solch leisen, bedrohlichen Ton, dass es Beatrix einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Der Hund kniff seinen Schwanz ein und trottete gesenkten Hauptes zu ihm. Christopher zog eine aufgewickelte Leine aus seiner Jackentasche und legte sie dem Hund um. Dann sah er zu Beatrix. Sein Blick wanderte von den beiden Schmutzabdrücken auf ihrem Rock zu den sanften Wölbungen ihrer Brüste. »Ich entschuldige mich«, sagte er schroff.
»Es ist nichts passiert, und ein wenig Schmutz macht mir nichts aus. Er sollte allerdings lernen, keine Leute anzuspringen.«
»Bisher war er nur unter Soldaten. Von vornehmer Gesellschaft versteht er nichts.«
»Er kann es lernen. Ich bin sicher, dass er ein freundlicher Hund sein wird, hat er sich erst an seine neue Umgebung gewöhnt.« Beatrix überlegte kurz, bevor sie anbot: »Ich könnte mit ihm arbeiten, wenn ich das nächste Mal Audrey besuche. Mit Hunden kenne ich mich recht gut aus.«
Christopher beäugte sie grübelnd. »Ich hatte vergessen, dass Sie mit meiner Schwägerin befreundet sind.«
»Ja.« Sie zögerte. »Ich hätte es schon früher sagen sollen. Ihr Verlust tut mir sehr …«
Er bedeutete ihr mit erhobener Hand, dass sie schweigen möge. Als er die Hand wieder herunternahm, ballte er sie zur Faust.
Beatrix verstand. Sein Verlustschmerz war noch zu groß, als dass er darüber sprechen könnte. »Sie hatten noch keine Gelegenheit zu trauern, nicht wahr?«, fragte sie leise. »Ich nehme an, dass sein Tod für Sie erst real ist, seit Sie wieder in Stony Cross sind.«
Christopher bedachte sie mit einem warnenden Blick.
Diesen Blick kannte Beatrix von gefangenen Tieren: eine hilflose Feindseligkeit gegenüber jedem, der sich näherte. Und sie hatte gelernt, die Warnung ernst zu nehmen. Wilde Kreaturen waren am gefährlichsten, wenn sie sich am wenigsten wehren konnten. Also wandte sie sich wieder dem Hund zu und streichelte ihn.
»Wie geht es Prudence?«, hörte sie Christopher fragen. Die sehnsüchtige Note, die in seinen Worten mitschwang, tat ihr weh.
»Gut, glaube ich. Sie verbringt die
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