Herzschlag der Nacht
von Beatrix Hathaway blieb: von ihrem liebreizenden ovalen Gesicht, ihrem sanft erotischen Mund, ihren eindrucksvollen blauen Augen mit der Andeutung von Violett. Nicht zu vergessen ihr seidiges Haar, nachlässig aufgesteckt, sodass sich einzelne Locken aus den Nadeln befreit hatten.
Bei Gott, es war zu lange her, seit er eine Frau gehabt hatte. Ihn trieb eine teuflische Lüsternheit um, und er war einsam, erfüllt von Kummer und Wut. In ihm waren so viele Verlangen, die gestillt werden wollten, dass er nicht wusste, womit er beginnen sollte. Aber Prudence zu suchen erschien ihm ein guter Anfang.
Er würde sich einige Tage ausruhen, und sobald er sich wieder mehr wie sein früheres Ich fühlte, würde er nach London fahren und Prudence aufsuchen. Im Moment war leider offenkundig, dass er seine alte Wortgewandtheit erst zurückgewinnen musste. Christopher wusste sehr wohl, dass er einst lässig charmant gewesen war, heute jedoch argwöhnisch und hölzern wirkte.
Schuld daran war nicht zuletzt, dass er schlecht schlief. Das leiseste Geräusch, ein Knacken im Haus, das Klopfen eines Zweigs am Fenster, ließ ihn mit pochendem Herzen aus dem Schlaf schrecken. Und tagsüber war es nicht besser. Gestern war Audrey ein Buch heruntergefallen, als sie einen ganzen Stapel trug, und Christopher war heftig zusammengezuckt. Instinktiv hatte er nach einer Waffe gegriffen, bevor ihm wieder einfiel, dass er keine mehr bei sich trug. In den vielen Monaten war ihm das Gewehr beinahe zu einer zusätzlichen Gliedmaße geworden, die er bis heute einem Phantom gleich spürte.
Christophers Schritte wurden langsamer. Er blieb stehen, hockte sich neben Albert und blickte in das struppige Hundegesicht. »Es ist schwer, den Krieg hinter sich zu lassen, nicht?«, murmelte er und klopfte dem Hund liebevoll auf den Rücken. Albert sprang hechelnd auf ihn zu und wollte ihm das Gesicht abschlecken. »Armer Kerl, du hast keine Ahnung, was los ist, was? Du erwartest nach wie vor, dass jeden Moment Granaten explodieren.«
Albert warf sich auf den Rücken, damit Christopher ihm den Bauch kraulte, und nachdem er ihm den Gefallen getan hatte, stand Christopher wieder auf. »Gehen wir zurück. Du darfst wieder ins Haus, aber Gott steh dir bei, wenn du jemanden beißt.«
Leider stellte sich bei Albert, kaum dass sie das mit Efeu bewachsene Herrenhaus betreten hatten, dieselbe Feindseligkeit ein, die er zuvor gezeigt hatte. Unwirsch zerrte Christopher ihn mit in den Salon, wo seine Mutter und Audrey beim Tee saßen.
Albert bellte die Frauen an. Er kläffte das verängstigte Hausmädchen an, eine Fliege an der Wand und die Teekanne.
»Still!«, zischte Christopher mit zusammengebissenen Zähnen und zog den überdrehten Hund mit sich zum Kanapee. Dort befestigte er die Leine an einem der Sofabeine. »Sitz, Albert. Runter.«
Widerwillig legte sich der Hund auf den Fußboden und knurrte.
Audrey rang sich ein falsches Lächeln ab und fragte in bester Salonmanier: »Darf ich dir einschenken?«
»Ja, danke«, antwortete Christopher und setzte sich zu ihnen an den Teetisch.
Unzählige Falten hatten sich in das Gesicht seiner Mutter gegraben, und ihre Stimme klang angestrengt. »Er hinterlässt Schmutz auf dem Teppich. Musst du uns diese Kreatur zumuten, Christopher?«
»Ja, muss ich. Er soll sich daran gewöhnen, im Haus zu sein.«
» Ich werde mich nicht an ihn gewöhnen«, entgegnete seine Mutter. »Ich verstehe ja, dass der Hund dir im Krieg nützlich war. Aber jetzt brauchst du ihn nicht mehr.«
»Zucker? Milch?«, fragte Audrey und blickte ernst von Christopher zur Mutter.
»Nur Zucker.« Christopher beobachtete, wie sie einen Zuckerbrocken in seine Tasse gab und mit einem kleinen Löffel umrührte. Er nahm die Tasse und blickte auf die dampfende Flüssigkeit, während er sich bemühte, die unangemessene Wut zu bändigen, die in ihm schwelte. Auch diese Gefühlsregungen, die in keinerlei Verhältnis zu den jeweiligen Gegebenheiten standen, waren ein neues Problem.
Als Christopher sich hinreichend beruhigt hatte, um sprechen zu können, sagte er: »Albert war mir nicht bloß nützlich. Als ich Tage in einem matschigen Graben verbrachte, bewachte er mich, damit ich schlafen konnte, ohne einen Überraschungsangriff fürchten zu müssen. Er brachte Nachrichten von und an die Front, sodass keine Fehler bei den Befehlsübermittlungen entstanden, und er warnte uns, wenn er den Feind nahen spürte, lange bevor wir etwas sehen oder hören konnten.«
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