Herzschlag der Nacht
heischte er Mitleid.
Leo jedoch antwortete kein bisschen mitleidig: »Ich kenne das Gefühl. Merripen kann Ihnen helfen. Er ist ein veritabler Quell an Informationen, und nichts bereitet ihm größere Freude, als anderen zu erklären, was sie tun sollen. Vierzehn Tage in seiner Gesellschaft, und Sie sind ein Experte in Sachen Holz. Hat Beatrix Ihnen schon erzählt, dass Merripen und Win rechtzeitig zur Hochzeit aus Irland zurückkehren?«
Christopher schüttelte den Kopf. Die Trauung sollte in einem Monat in der Kirche am Dorfplatz stattfinden. »Das freut mich für Beatrix. Sie wünscht sich, dass ihre ganze Familie dabei ist.« Er musste lachen. »Ich hoffe nur, dass keine Tierprozession mit ihr in die Kirche einzieht.«
»Schätzen Sie sich glücklich, dass wir den Elefanten loswerden konnten«, sagte Leo. »Sie hätte ihn womöglich zur Brautjungfer gemacht.«
»Elefant?« Christopher sah ihn erstaunt an. »Hatte sie einen Elefanten?«
»Nur für kurze Zeit. Sie fand ein neues Heim für ihn.«
»Nein.« Christopher schüttelte den Kopf. »Wie ich Beatrix kenne, könnte ich es beinahe glauben, aber nein.«
»Sie hatte einen Elefanten«, beharrte Leo. »Ich schwöre bei Gott.«
Christopher war immer noch nicht überzeugt. »Wollen Sie mir weismachen, dass eines Tages ein Elefant vor dem Haus stand und jemand ihn versehentlich fütterte?«
»Fragen Sie Beatrix. Sie erzählt Ihnen …«
Abrupt verstummte Leo, denn sie näherten sich der Pferdekoppel, wo einige Unruhe herrschte. Sie hörten das zornige Wiehern eines Pferdes, bevor sie ein kastanienbraunes Vollblut sahen, das bockte und sich aufbäumte. Jemand saß auf dem Pferd.
»Verdammt«, raunte Leo und beschleunigte seine Schritte. »Ich habe ihnen gesagt, dass sie diesen widerborstigen Gaul ja nicht kaufen sollen. Er ist furchtbar schlecht behandelt worden, und nicht einmal Beatrix kann den wieder hinbekommen.«
»Ist das Beatrix?«, fragte Christopher erschrocken.
»Entweder sie oder Rohan. Keiner sonst wäre so verrückt, auf dieses Tier zu steigen.«
Christopher rannte los. Es war nicht Beatrix. Sie durfte es nicht sein. Sie hatte ihm versprochen, dass sie sich keinen unsinnigen Gefahren mehr aussetzen würde. Doch als er die Pferdekoppel erreichte, sah er, wie ihr Hut herunterflog und sich ihr dunkles Haar löste, während das aufgebrachte Pferd unter ihr immer wilder bockte. Beatrix hielt sich mit staunenswerter Leichtigkeit im Sattel, sprach auf das Tier ein und versuchte, es zu beruhigen. Tatsächlich schien es für einen Moment ruhiger zu werden. Dann jedoch bäumte es sich unmöglich hoch auf und balancierte den massigen Leib auf seinen zwei Hinterbeinen.
So hielt es sich keine zwei Sekunden, kippte nach hinten.
Die Zeit schien stillzustehen, während die gewaltige Masse mit Beatrix unter ihr zu Boden ging.
Wie so oft in der Schlacht übernahm Christophers Instinkt und trieb ihn zum Handeln. Er hörte nichts, fühlte aber den heiseren Schrei, der aus seiner Kehle drang, als er mit einem Satz über das Gatter sprang.
Auch Beatrix reagierte instinktiv. Im Fall zog sie die Füße aus den Steigbügeln und stemmte sich von dem Pferd weg. Sie schlug auf dem Boden auf und rollte sich blitzschnell zur Seite. Das Pferd landete nur Zentimeter entfernt von ihr rücklings auf der Erde.
Beatrix lag reglos da, als das wilde Tier sich aufzurappeln begann, wobei seine Hufe auf den Sand donnerten. Christopher war inzwischen bei Beatrix, riss sie weg und trug sie zur Seite. Unterdes eilte Leo zu dem aufgescheuchten Pferd und schaffte es, die Zügel zu packen.
Christopher legte Beatrix behutsam hin und tastete sie von oben bis unten nach Verletzungen ab. Der Aufprall war sehr unsanft gewesen, und sie rang nach Luft.
Verwirrt blickte sie zu Christopher auf. »Was ist passiert?«
»Das Pferd hat sich aufgebäumt und ist gestürzt.« Christophers Stimme klang angestrengt. »Sag mir deinen Namen.«
»Warum fragst du das?«
»Dein Name!«, befahl er.
»Beatrix Heloise Hathaway.« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Nachdem wir nun wissen, wer ich bin … wer sind Sie?«
Kapitel 20
A uf Christophers entsetzte Miene hin lachte Beatrix leise und rümpfte die Nase. »War nur ein Witz. Ich weiß, wer du bist. Und mir geht es bestens.«
Über seine Schulter hinweg sah sie Leo, der warnend den Kopf schüttelte und mit einem Finger quer über seinen Hals strich.
Zu spät begriff sie, dass es wohl der falsche Moment für Scherze gewesen war. Was für einen
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