Herzschlag der Nacht
gelehnt. Mit ernsten Augen, überschattet von ihren dichten Wimpern, blickte sie zerknirscht zu ihm auf. »Ich hätte nicht so mit dir reden dürfen. In meiner Familie ist Streiten ein Sport, und wir vergessen manchmal, dass andere es persönlich nehmen.« Eine ihrer Fingerspitzen malte ein raffiniertes Muster auf seinen Schenkel. »Aber ich habe auch meine guten Seiten«, fuhr sie fort. »Beispielsweise störe ich mich nicht an Hundehaaren, und ich kann kleine Gegenstände mit den Zehen aufheben, was eine erstaunlich nützliche Begabung ist.«
Christophers innere Taubheit begann zu schmelzen wie Eis im Frühling. Und es hatte nichts mit dem Armagnac zu tun. Das bewirkte einzig Beatrix.
Bei Gott, er betete sie an.
Aber je mehr er auftaute, desto schwächer fühlte er sich, denn sein Verlangen brodelte in ihm, und die Selbstbeherrschung, die er momentan aufbringen konnte, war überaus brüchig.
Er stellte sein halb volles Glas auf dem Teppich ab, bevor er Beatrix zwischen seine Knie zog. Dann beugte er sich vor und küsste sie auf die Stirn. Genüsslich atmete er den verlockenden Duft ihrer Haut ein, lehnte sich wieder zurück und betrachtete sie. Beatrix sah engelsgleich und arglos und süß aus. Mein kleiner Wildfang , dachte er zärtlich. Er streichelte eine ihrer schmalen Hände, die auf seinem Schenkel ruhte, atmete tief ein und langsam wieder aus.
»Dein mittlerer Name ist also Eloise«, sagte er.
»Ja, nach der französischen Nonne im Mittelalter. Mein Vater verehrte ihre Schriften. Wenn ich’s genau bedenke … Héloïse war berühmt für die Liebesbriefe, die sie mit Abélard austauschte.« Beatrix strahlte. »Ich bin meiner Namenspatronin gerecht geworden, nicht wahr?«
»Da Abélard am Ende von Héloïses Familie kastriert wurde, kann ich dem Vergleich nicht so viel abgewinnen.«
Beatrix grinste. »Du hast keinen Grund zur Sorge.« Dann wurde sie ernster. »Verzeihst du mir?«
»Dass du dich in Gefahr gebracht hast? Niemals. Du bist mir zu teuer.« Christopher nahm ihre Hand und küsste sie. »Beatrix, du bist wunderschön in diesem Kleid, und deine Gesellschaft ist mir lieber als alles andere auf der Welt. Aber ich muss dich heimbringen.«
Beatrix rührte sich nicht. »Erst, wenn diese Sache geklärt ist.«
»Ist sie.«
»Nein. Da ist nach wie vor eine Mauer zwischen uns. Ich fühle sie.«
Christopher schüttelte den Kopf. »Ich bin bloß … abgelenkt.« Er ergriff ihren Ellbogen. »Lass mich dir aufhelfen.«
Sie sträubte sich. »Etwas stimmt nicht. Du bist so weit weg.«
»Ich bin hier.«
Es existierten keine Worte, dieses höllische Gefühl der Distanziertheit zu beschreiben. Er wusste nicht, warum es auftauchte oder wie es wieder vertrieben werden konnte. Er wusste nur, dass es, wenn er lange genug wartete, von allein wieder verschwand. Jedenfalls war es bisher so gewesen. Eines Tages kam es vielleicht über ihn und ging nicht wieder fort. Mist!
Beatrix sah ihn an, stemmte die Hände leicht auf seine Schenkel, richtete sich jedoch nicht auf, sondern schmiegte sich näher an ihn.
Ihr Mund bedeckte den seinen scheu forschend. Christopher empfand einen kleinen Schock, ein plötzliches Pochen seines Herzens, als wäre ihm soeben eingefallen, dass es wieder schlagen sollte. Beatrix’ Lippen waren weich und heiß, neckten ihn auf die gleiche Weise, wie er es ihr vorgemacht hatte. Seine Lust steigerte sich bedenklich schnell, drohte unkontrollierbar zu werden. Beatrix lehnte an ihm, ihre Brüste an seinem Oberkörper, ihre Hüften in den gebauschten Röcken zwischen seinen Beinen. Für einen Moment gab er jede Gegenwehr auf, erwiderte ihren Kuss und vertiefte ihn so, wie er es wollte. Beatrix ließ ihn, nahm seine Zärtlichkeit mit einer Bereitschaft auf, die ihn in den Wahnsinn trieb. Und das wusste sie.
Er wollte alles von ihr, wollte all sein Sehnen, sein Verlangen an ihr stillen, und dabei war sie zu unschuldig, um dem ausgesetzt zu sein. Mit letzter Kraft löste Christopher den Kuss und hielt Beatrix auf Armeslänge von sich.
Sie sah ihn fragend an.
Zu seiner Erleichterung erhob sie sich und ging etwas auf Abstand.
Und dann begann sie, ihr Mieder aufzuhaken.
»Was tust du?«, fragte er mit belegter Stimme.
»Keine Sorge, die Tür ist abgeschlossen.«
»Das war es nicht, was ich … Beatrix !« Bis er aufgesprungen war, fiel ihr Mieder vorn bereits auseinander. Ein tiefes, dröhnendes Pochen erklang in seinen Ohren. »Beatrix, ich bin nicht in der Stimmung für jungfräuliches
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