Herzschlag der Nacht
liebte.
Am Tag nach seinem Heiratsantrag war Christopher notgedrungen zu Prudence gegangen. Er wollte sich entschuldigen, weil er sich ihr gegenüber unfair verhalten hatte. Die Reue für seine Täuschung indes schwand sofort, als er erkannte, dass Prudence nicht im Mindesten bedauerte, ihn getäuscht zu haben.
Es war, gelinde gesagt, kein angenehmes Gespräch gewesen. Prudences Gesicht hatte sich tiefrot verfärbt, als sie vollkommen außer sich geriet, tobte und kreischte.
»Sie dürfen mich nicht wegen diesem dunkelhaarigen Gnom und ihrer gänzlich unmöglichen Familie fallen lassen! Damit machen Sie sich vor aller Welt lächerlich. Die eine Hälfte von ihnen sind Zigeuner, die andere ist schwachsinnig. Sie haben wenig Beziehungen und keine Manieren. Diese Leute sind dreckige Bauern, und Sie werden Ihren Entschluss bis ans Ende Ihrer Tage bereuen. Beatrix ist ein ungezogenes, unzivilisiertes Ding, das wahrscheinlich einen ganzen Wurf gebären wird.«
Als sie eine Pause machte, um Atem zu schöpfen, entgegnete Christopher ruhig: »Betrüblicherweise können nicht alle so vornehm wie die Mercers sein.«
Wie nicht anders zu erwarten, war diese Bemerkung entschieden zu hoch für Prudence, die weiterkeifte wie ein Fischweib.
Unterdessen erschien ein Bild vor Christophers geistigem Auge … keines der üblichen vom Krieg, sondern ein friedliches von Beatrix’ Gesicht am Tag zuvor, als sie sich still und konzentriert um einen verletzten Vogel kümmerte. Sie hatte den gebrochenen Flügel des kleinen Spatzen mit einer Binde an dessen Körper fixiert und Rye gezeigt, wie er den Vogel füttern müsste. Beim Zuschauen war Christopher von Beatrix’ zarten und doch so starken Händen verblüfft gewesen.
Aber er sollte seine Aufmerksamkeit wieder der zeternden Dame vor sich widmen. Er konnte nicht umhin, mit dem Mann zu fühlen, der am Ende Prudences Ehemann würde.
Ihre Mutter, alarmiert von dem Aufruhr, war in den Salon gekommen und hatte versucht, Prudence zu beschwichtigen. Bald darauf war Christopher gegangen. Er bereute jede Minute, die er in Prudence Mercers Gegenwart vergeudet hatte.
Anderthalb Wochen später wurde Stony Cross von der Nachricht erschüttert, dass Prudence mit einem ihrer Verehrer durchgebrannt war, einem Mitglied des hiesigen Landadels.
Am Morgen ihre Durchbrennens war ein Brief für Beatrix in Ramsay House abgegeben worden. Er kam von Prudence, war hastig und unübersehbar wütend hingekritzelt worden, wimmelte nur so von Vorhaltungen, düsteren Prophezeiungen und leider auch reichlich orthografischen Fehlern. Besorgt und voller Schuldgefühle hatte Beatrix ihn Christopher gezeigt.
Er hatte ihn gelesen, zerrissen und Beatrix zurückgegeben. »Nun«, meinte er betont beiläufig, »immerhin hat sie überhaupt mal einen Brief geschrieben.«
Beatrix bemühte sich, ihn streng anzusehen, was ihr jedoch nicht gelang, weil sie lachen musste. »Du solltest nicht darüber scherzen. Ich fühle mich schrecklich schuldig.«
»Warum? Prudence tut es nicht.«
»Sie wirft mir vor, dich ihr weggenommen zu haben.«
»Ich gehörte ihr nie. Und dies ist kein Spiel, bei dem Geschenke weitergereicht werden.«
Darauf musste sie schmunzeln. »Wenn du das Geschenk bist, würde ich dich mit Freuden auspacken.«
Christopher schüttelte den Kopf, als sie sich vorbeugte und ihn küsste. »Fang nicht damit an, sonst werden wir nie fertig.« Er legte ein Brett in Position und sah sie erwartungsvoll an. »Nun hämmere.«
Sie befanden sich auf dem Heuboden, wohin Beatrix ihn mitgenommen hatte, damit er ihr half, einen Nistkasten zu reparieren, den sie selbst gebaut hatte. Christopher sah verzückt zu, wie Beatrix eine Reihe Nägel ins Brettende schlug. Er hätte nie gedacht, dass handwerkliche Geschicklichkeit bei einer Frau so bezaubernd war. Und er genoss es natürlich auch, wie sich ihre Kniebundhosen über ihrem Hinterteil spannten, wann immer sie sich vorbeugte.
Allerdings musste er seinen Körper auch strengstens zur Raison rufen, wie es ihm neuerdings häufiger geschah. Beatrix war eine Versuchung, der er kaum widerstehen konnte. Jeden seiner Küsse erwiderte sie mit einer unschuldigen Sinnlichkeit, die seiner Selbstbeherrschung das Äußerste abverlangte.
Bevor er in den Krieg zog, hatte Christopher nie Schwierigkeiten gehabt, Geliebte zu finden. Der Liebesakt war für ihn ein beiläufiges Vergnügen gewesen, das er ohne Schuldgefühle oder Hemmungen genoss. Doch nach längerer Abstinenz kamen ihm Bedenken
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