Herzschlagmelodie - Band 1
griff ich mir Henrys Handgelenk und zog ihn mit mir.
„Ich werde morgen sechzehn und ihr tut so, als sei ich noch ein kleines Kind. Vertraut ihr mir denn gar nicht?“ Das durfte doch alles nicht wahr sein. Als ob zwischen mir und Henry je was laufen würde. Meine Eltern starrten mich fassungslos an und auch Henry wirkte unsicher.
„Nein!“, riefen meine Mutter und mein Vater erneut im Chor.
„Du bist fünfzehn und noch lange nicht volljährig und selbst dann hast du noch gar nicht ...“ Wieder musste ich meinen Vater unterbrechen. Dachte er sich denn nie einen neuen Spruch aus?
„Jaja. Die Leben serfahrung, die eine Frau mit fünfundzwanzig Jahren hat. Aber du wirst immer unser Kind sein und so weiter. Ich hab es ja verstanden.“ Ich liebte meine Eltern wirklich sehr. Sie waren die tollsten Eltern, die man sich vorstellen konnte. Meine Mutter war immer für mich da und mein Vater tat zwar streng, aber eigentlich war auch er sehr locker. Was sie seit einigen Monaten gegen Henry hatten, das konnte ich mir wirklich nicht zusammenreimen. Manchmal aber nervten sie einfach. Wenn meine Mutter wieder anfing zu putzen oder mein Vater wegen der Noten in der Schule nörgelte. Ich war halt kein Mathegenie, aber was sollte es schon?
„Aber du ziehst dir was Ordentliches an!“ Meine Mutter hob den Zeigefinger und ging zum Kühlschrank, an dem ein Zettel hing.
„Anna?“ Mein Vater wirkte entsetzt, als meine Mutter nachgab.
„Nichts da, Thomas. Es wird Zeit, dass wir Henry ein wenig mehr Vertrauen schenken. Und wenn sie schon … wenn sie sich näherkommen, dann will ich das wenigstens wissen. Sonst machen sie das noch heimlich!“
„ Mom!“, schrie ich auf und zerrte dabei an Henrys Handgelenk.
„Was denn? Ich spreche doch nur aus ...“
„Wir sind nur Freunde! Freunde! Kann es denn keine Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Mädchen geben? Ihr seid manchmal echt peinlich!“ Wie gut, dass es nur Henry war und nicht Christian. Henry kannte das Theater ja schon, aber Christian wäre sicher gleich wieder aus dem Haus gerannt. Damit würde meine Chance, mit ihm zusammenzukommen, verschwindend gering werden.
„Vollkommen egal, ob ihr nur Freunde seid. Es gibt Grenzen und die Grenze in diesem Haus heißt, dass du keine Jungs mit in dein Zimmer nehmen darfst. Henry ist da die absolute Ausnahme.“ Meine Mutter rieb sich ihre Schläfe.
„Aber auch nur, weil wir wissen, wo er wohnt. Falls er dich anfassen sollte, brauche ich nur durch den Garten zu gehen.“ Dad fixierte Henry, der nervös schluckte und darauf gar nichts erwidern konnte.
„Sag doch auch mal was!“ Jetzt konnte ich wirklich seine Unterstützung gebrauchen. Warum schwieg Henry nur?
„Ähm. Also ich würde nie etwas Derartiges tun. Also gegen den Willen von irgendjemandem, meine ich“, murmelte Henry und verkrampfte sich dabei total. Wirklich hilfreich war das ja nicht. Meine Mutter hob zweifelnd ihre Augenbrauen. Sie glaubte Henry wohl kein bisschen. Mein Vater hingegen las weiter Zeitung, als wäre die Diskussion für ihn beendet. Na, ein Glück.
„Bevor wir fahren: ich habe dir hier noch alle Notfallnummern aufgeschrieben.“ Meine Mutter stand am Kühlschrank und deutete abermals auf den Zettel, der dort mit einem Magneten befestigt war. „Polizei, Krankenhaus, Feuerwehr, Giftambulanz, unsere Nummer im Hotel und von der Rezeption und die von Oma ...“
„Boah, Mama! Die Nummer von denen kenne ich doch. Giftambulanz? Warum sollte ich denn da anrufen? Was glaubst du, was wir hier machen?“ Fehlte nur noch, dass sie einen Babysitter bestellte.
„Falls was ist, ist es immer gut, so eine Nummer in greifbarer Nähe zu haben. Also, Schatz. Falls was passiert, bitte ruf uns an.“ Sie faltete ihre Hände, als betete sie zu Gott, dass ich mich auch ja daran halten würde.
„Ich glaube, du brauchst diesen freien Tag dringender als ich. Es wird schon alles gut gehen. Es kommen nur ein paar Freundinnen vorbei, wir gehen in den Pool, spielen hier etwas. Wir trinken ja noch nicht einmal Alkohol. Niemand von uns raucht. Du hast eine brave Tochter, die sich an alle Vorschriften halten wird und die sich furchtbar auf die sturmfreie Bude freut!“ Ich ließ Henrys Handgelenk los und untermauerte meine Entschlossenheit damit, dass ich meine Hände zu Fäusten ballte und damit herumfuchtelte.
„Und du hast auch nichts im Internet geschrieben? Das hört man ja öfters, dass es dann plötzlich einige Hundert oder Tausend Besucher gibt,
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