Herzschlagmelodie - Band 1
mein Vater so sehr liebte, dann kletterte ich über das kleine Gartentor. Es war nur etwa fünfzig Zentimeter hoch und diente eher der Dekoration. Ich sah mich um, entdeckte aber niemanden.
Der Poolreiniger lag am Beckenrand und ein Wasserball war auf einer der vier Liegen vergessen worden. Ihm ging langsam die Luft aus. Ich sah hinauf zu Julies Fenster, das geschlossen war. Für einen kurzen Moment musste ich meine Augen schließen und innehalten. Denn heute Nacht war es endlich soweit. Sie würde mit mir und ihren besten Freundinnen in ihren sechzehnten Geburtstag reinfeiern. Ich ging weiter bis zur Terrassentür und wagte einen Blick in die Küche hinein.
„Ah! Henry!“ Mr. Bolten sah mich sofort, obwohl er sein Gesicht zuvor in einer Zeitung vergraben hatte. Sein Blick verriet mir, dass er sich einerseits freute, mich zu sehen, andererseits aber auch noch ein Hühnchen mit mir zu rupfen hatte. Hoffentlich endete ich nicht so wie das, was meine Mutter gerade in den Ofen schob.
„Hallo Mr. Bolten!“ Ich bemühte mich um Freundlichkeit und setzte ein beinahe kumpelhaftes, leicht verlegenes Lächeln auf. Da ich weder Julie noch Mrs. Bolten sah, fürchtete ich, dass er ein ernstes Gespräch beginnen wollte.
„Komm mal her, mein Freund“, sagte er dann, in einem väterlichen, strengen Tonfall, der mich zusammenschrecken ließ. Am liebsten wäre ich einfach an ihm vorbeigelaufen, durch die Küche Richtung Flur und hinauf in Julies Zimmer. Aber ihr Vater glich einem Wachhund, der mich nicht eher zu ihr lassen würde, bevor ich mir nicht abermals seine Predigten angehört hätte. Die kannte ich nur zu gut. Als ob ich mich daran halten würde ... Ich lief ein paar Schritte auf ihn zu und beobachtete seine Hand, mit der er einladend auf den Barhocker neben sich klopfte. Ich atmete ruhig, aber tief ein, versuchte nicht nervös oder ängstlich zu wirken oder mich gar zu verraten. Wenn er wüsste, dass ich in Julie verliebt war, dann würde er seine über alles geliebte Tochter wie Rapunzel in einen Turm einsperren. Für weitere Besuche gäbe es dann keine Möglichkeit mehr, denn ihre rotbraunen Haare waren dafür nicht lang genug. Ich legte die Blumen auf die Kücheninsel direkt neben eine prall gefüllte Obstschale und stellte die Flasche Rotwein demonstrativ daneben. Sofort weitete Julies Dad seine Augen und nahm die Flasche an sich.
„Ich nehme an, die ist nicht für Julie?“ In seinen Augen sah ich, wie er sich bereits ausmalte, die Flasche genüsslich zu leeren.
„Nein. Die ist von meinem Vater, er lässt Sie grüßen. Oh, und Sie sollen ihn anrufen, wenn Sie ihn getrunken haben. Er möchte gerne wissen, wie Ihnen der Wein geschmeckt hat.“ Ich kam mir etwas albern vor. War es jetzt uncool, seinen Nachbarn und guten Freund anzurufen oder einfach hinüberzugehen? War das die neue Art der Nachrichtenübermittlung? SDJ – Sende deinen Jungen. Oder so ähnlich. SMS wäre auch wirklich langweilig, gab es ja schon lange genug. So ein eigenes Kind, das man durch die Gegend schicken konnte, das hatte doch was. Aber solange ich die Botschaften nicht singen musste und nicht in tiefsinnige Gespräche verwickelt wurde, war mir das egal. Mr. Bolten hob die Flasche, hielt sie gegen das Sonnenlicht, das durch ein Küchenfenster fiel und lächelte wohlwollend.
„Warum ist er nicht rübergekommen?“ Dass er das monierte, konnte ich gut nachvollziehen, schließlich fragte ich mich das ja selbst. Ich zuckte nur mit den Schultern und sah dann in Richtung Flur. Schritte waren zu hören, doch der Gangart nach war das Julies Mutter. Sie wirkte gestresst, als sie mit zwei Taschen, einer Tüte, einer Handtasche und einem Trolley den Flur herunterkam. Elegant wich sie einer Topfpflanze aus, hinter der Blacky maunzend hervorhuschte.
„Huch!“, rief sie erschrocken. Dabei fielen ihr die Taschen aus der Hand und landeten polternd auf den weißen Marmorfliesen.
„Ich helfe Ihnen!“, rief ich und ging zu ihr. Es war nur ein Reflex, doch als ich mich zu ihr kniete, merkte ich, wie sie mich anlächelte. Es war dieser stolze Blick, als wollte sie mich gleich ihren Schwiegersohn nennen. Beängstigend irgendwie. Aber gleichzeitig auch eine schöne Vorstellung.
„Danke.“ Doch kaum hatte sie dies ausgesprochen, wandelte sich ihr Ausdruck und sie starrte ihren Mann beleidigt an. Dieser saß noch immer an der Kücheninsel und bewunderte den Wein.
„Du könntest dir ja mal ein Beispiel an ihm nehmen!“, fauchte sie, eher
Weitere Kostenlose Bücher