Herzschlagmelodie - Band 1
Tüte und bog in den Park ab. Das war meine Gelegenheit! Nervös fuhr ich mir durch die Haare und versuchte ruhiger zu atmen, damit ich nicht nach Luft japsend bei ihr ankam. Scheinbar hatte sie mich nicht bemerkt, doch ich sah etwas ganz anderes. Ihre Beine und ihre ganze Silhouette erschienen mir so furchtbar dürr. Sie war zwar schon immer schlank gewesen, aber so dünn kannte ich sie nicht. Ich eilte über die Straße und lief etwas langsamer, als ich sah, wie sich Julie auf die Parkbank setzte. Mit jedem Schritt in ihre Richtung pochte mein Herz schneller. Zwei Wochen waren wirklich viel zu lang. Ob sie überhaupt mit mir sprechen wollte? Ich hoffte es sehr.
„Julie?“ Es erstaunte mich, dass ich ihren Namen doch so ruhig aussprechen konnte. Julie schien mich gar nicht richtig wahrzunehmen, bis sie zusammenschreckte und mich mit großen Augen anschaute.
„Ich hatte gehofft, dass du hier bist“, flüsterte ich. Es war die Wahrheit und doch irgendwie gelogen. Wenn mich ihre Mutter nicht angerufen hätte, würde ich noch immer von meinem Zimmer aus auf sie lauern. Ich war froh, dass sie nun doch mit mir sprach und ein Glücksgefühl übermannte mein Herz, als sie von ihrer Spieluhr erzählte.
„Was ist mit Sophie?“, fragte sie plötzlich, was mich aus meinen glücklichen Gedanken riss. „Ihr seid zusammen?“
Warum glaubte sie das? Und vor allem, wie kam sie darauf? Ob sie mit Sophie gesprochen hatte? Das war nicht gut! Moment mal … Es mussten ihre Eltern gewesen sein! Ich hatte ihrem Vater doch vor zwei Wochen gesagt, dass Sophie und ich ein Paar wären. An dem Abend, als Julie im Wald verschwunden war. Er hatte es ihr erzählt? Ganz toll! Das brachte doch wieder alles durcheinander! Nein. Ihre Eltern würden Julie doch so etwas nicht erzählen, warum auch?
„Wer hat dir das gesagt?“ Ich bemerkte den bebenden Unterton in meiner Stimme und wollte mich räuspern, ließ es aber.
„Meine Mutter. Keine Ahnung, woher sie das weiß. Vielleicht hat sie mich auch angelogen.“ Als Julie mit ihren Schultern zuckte, war es, als risse sie mir das Herz aus meiner Brust. War ihr das etwa so egal?
„Ja. Es stimmt. Ist das okay für dich?“ Ich hoff te inständig, dass sie nein sagen würde.
„Klar.“
Und mein Traum war ausgeträumt.
Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte laut losgebrüllt! Die ganze Situation war kaum zu ertragen. Sophie und Paul verstanden sich gut, sollten sie das jetzt auch noch vor Julie geheim halten? Aber ich konnte Julie jetzt schlecht die Wahrheit sagen, schließlich waren sie und Sophie doch befreundet. Ich war diese ewigen Heimlichkeiten und das ständige Hin und Her wirklich leid!
Wir unterhielten uns weiter und ich konnte sie davon überzeugen, dass wir damals nicht über sie gelästert hatten. Die vielen Süßigkeiten und Chips, die sie gekauft hatte, erleichterten mich und ich hoffte, dass Julie sie auch alle essen würde, damit sie wieder ein wenig zunahm. So dünn zu sein war weder gesund, noch sah es gut aus. Diese dürren Ärmchen und Beinchen waren alles andere als sexy. Dann kamen wir wieder auf den verhängnisvollen Abend zu sprechen.
„Ich hätte mir das nie verzeihen können, wenn dir etwas passiert wäre!“ Verstand Julie denn nicht, wie wichtig sie mir war? Das Bedürfnis, sie zu umarmen und an mich zu drücken, übermannte mich in diesem Augenblick. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und näherte mich Julie, doch plötzlich schreckte sie zurück und starrte mich erschrocken an.
„Du bist mit Sophie zusammen!“ In ihrem Gesicht las ich pures Entsetzen, was mich ebenfalls schockierte. Durfte ich sie jetzt nicht einmal mehr berühren?
„Ich wollte dich nur umarmen, ist das okay?“ Früher war das nicht so gewesen. Da hatten wir uns ständig umarmt. Uns gekabbelt. Sie war in meinen Armen eingeschlafen und ich hatte beobachten können, wie sie schlief.
Julie zögerte, nickte dann aber zögerlich und hauchte mir ein „Ja“ entgegen, woraufhin ich sie sofort in meine Arme schloss. Nur ganz sanft legte ich meine Arme um sie, doch das reichte mir für den Augenblick. Sie fühlte sich anders an. Die Knochen ihrer Schulterblätter waren zu spüren, als lägen sie direkt unter der zarten Haut. Sonst war ihr Körper warm, sanft und angenehm, doch jetzt hatte ich beinah Angst, sie zerbrechen zu können. Ich roch ein Apfelshampoo. Es gefiel mir nicht so gut wie ihr Erdbeershampoo … Resigniert zog ich
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