Herzschlagmelodie - Band 1
nicht zu einem Indianerschminkwettbewerb, Sophie.“ Wozu die Kriegsbemalung?
„Das ist nur Lipgloss, der bringt meine Lippen zum Glänzen.“
„Wozu? Leck doch einfach drüber.“ Was es nicht alles gab. Sophie legte ihren Kopf schief und lächelte mich dann an – wie eine Katze, die etwas Fieses plante.
„Etwa so?“, fragte sie mich mit leicht geschlossenen Augen, tiefer Stimme und geneigtem Kopf. Dann leckte sie sich langsam über die Lippen und fixierte mich mit leicht scharfem Blick, was eine hypnotische Wirkung auf mich hatte. Ich schluckte und war ganz fasziniert von ihren glänzenden Lippen, von deren Anblick ich mich gar nicht mehr lösen konnte.
„Äh ...“, stammelte ich. Was war denn das bitte?
„Okay, dann lass ich den Lipgloss mal weg!“ Plötzlich war Sophie wieder normal und sprang fröhlich durch mein Zimmer zur Tür. Ich aber blieb verwundert zurück.
„Ähm, Moment mal, was war das denn jetzt?“
Sophie aber lachte nur und lief voraus, sagte mir aber noch: „Deine Reaktion reicht mir als Bestätigung, dass es auch so okay ist. War ’ne super Idee! Das teste ich gleich mal bei Paul!“
„Was für eine Reaktion?“, rief ich verdutzt und rannte ihr hinterher.
„Sag ich nicht!“
Na ganz toll. Ich hatte doch gar nichts gemacht! Oder doch? War anschauen jetzt verboten, oder was?
Im Park fuhren wir auf den Rampen. Es tat gut, mal nur mit den Jungs abzuhängen. Sophie saß auf dem Rasen, schoss ein paar Fotos von uns und bewachte die Getränke, die wir zuvor noch aus dem Supermarkt geholt hatten. Aus den Augenwinkeln sah ich , wie Paul sich zu ihr setzte und die beiden miteinander sprachen. Da war eindeutig mehr zwischen ihnen und ich gönnte es ihnen wirklich. Vielleicht würde ich irgendwann genauso glücklich mit Julie sein ...
Am letzten Tag von Julies Hausarrest stellte ich die reparierte Spieluhr in einem Karton vor ihrer Tür ab. Zuvor hatte ich lange überlegt, ob ich meinen Namen dazu schreiben oder sie ihr persönlich geben sollte, aber ich hatte mich dagegen entschieden. Vielleicht wollte sie auch gar nicht mehr mit mir sprechen, nach allem, was vorgefallen war. Ich saß an meinem Fenster und konnte beobachten, wie ihre Mutter das Päckchen ins Haus holte.
Die Stunden vergingen und ich war mir noch immer nicht sicher, was ich tun sollte. Sie anrufen? Ihr schreiben? Eine SMS schicken oder sie im Chat kontaktieren? Einfach rübergehen? Ihr Vater würde mich sicherlich nicht zu ihr lassen. Ich war ihm vor einigen Tagen im Supermarkt begegnet und er hatte mich noch nicht einmal gegrüßt, sondern mich nur mit einem finsteren Blick abgestraft. Für ihn war ich die Wurzel allen Übels und derjenige, der seine Tochter nicht gut behandelt hatte.
In der Hoffnung Julie zu sehen lief ich immer mal wieder zum Fenster, doch ich bekam sie nicht zu Gesicht. Weder im Garten noch an der Haustür.
Plötzlich klingelte mein Telefon, was mir einen gehörigen Schreck einjagte. Als ich auf das Display sah, rutschte mir beinahe das Herz in die Hose. Es war Julie! Aber von ihrem Festnetzanschluss. Ich schluckte und lief panisch in meinem Zimmer auf und ab, bis ich es endlich schaffte dranzugehen und ein „Hi ...“ ins Telefon krächzte. Meine Stimme versagte und mir wurde heiß und kalt zugleich.
„Ich bin’s, Julies Mutter. Henry?“, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Julies Mutter? War etwas passiert?
„Ja?“ Meine Stimme zitterte und ich drückte das Telefon fest an mein Ohr.
„Sie ist aus dem Haus gegangen, Richtung Supermarkt. Du stehst doch schon den ganzen Tag am Fenster?“ Ich hörte sie leise lachen, was mich etwas verunsicherte. „Nun lauf ihr schon nach. Viel Glück!“
Das war ja mal eine Überraschung! Julies Mutter half mir? Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, war ich schon die Treppen hinuntergeeilt, um Richtung Supermarkt zu rennen. Doch auf halber Strecke blieb ich stehen. Der Park war zu meiner Linken, der Supermarkt noch ein Stück geradeaus. Wenn ich jetzt im Supermarkt neben ihr auftauchen würde, sähe das schon komisch aus, daher entschied ich mich, erst einmal hier stehen zu bleiben. Vielleicht ging sie ja in den Park, dort könnte ich ihr tatsächlich über den Weg laufen und es wie einen Zufall aussehen lassen.
Ich tigerte die Straße auf und ab und hetzte immer wieder bis zur Hauskante, um zu schauen, ob ich Julie entdecken konnte. Es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit, doch dann sah ich sie endlich. Julie trug eine
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