Herzstoss
zurückwich. »Dazu als Vorspeise einen Cesar Salad und zum Dessert Karamellpudding. Und eine Flasche Mineralwasser.«
Marcy wollte einwenden, dass sie nichts von alldem bestellt hatte, doch der köstliche Duft und der bloße Gedanke an den Karamellpudding ließen sie zögern. »Sie können es dorthin stellen«, sagte sie stattdessen und zeigte neben ihr Bett.
»Wenn Sie bitte den Beleg unterschreiben würden«, sagte er.
Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden , hörte sie Sissy zu Liam sagen.
Wann war das gewesen? Wie lange war es her?
Marcy kritzelte ihren Namen auf die entsprechende Linie und fügte ein großzügiges Trinkgeld hinzu. Daran konnte Peter sie nicht hindern, dachte sie, als der junge Mann sich zur Tür bewegte. »Peter«, flüsterte sie, als eine vage Erinnerung quälend an ihrem Bewusstsein rieb wie eine Katze an einem nackten Bein.
»Verzeihung«, sagte der junge Mann und blieb stehen. »Haben Sie etwas gesagt?«
»Nein, mir ist bloß eingefallen …« Peter hat ihre Kreditkarten gesperrt. Wann? Warum? »Es ist nichts.«
»Soll ich jemanden hochschicken, um die Vorhänge zuzuziehen?«
»Nein, das wird nicht nötig sein.«
Er nickte. »Rollen Sie den Wagen einfach in den Flur, wenn Sie fertig sind.«
»Das mache ich.«
»Guten Appetit und einen schönen Abend.«
Marcy schloss die Tür hinter ihm, bevor sie sich aufs Bett fallen ließ und hungrig über das Steak hermachte. Wann hatte sie zuletzt etwas gegessen?
Wann hast du zum letzten Mal was gegessen , hörte sie Liam fragen, dessen Gesicht über ihr schwebte. Wann? Wo?
Marks & Spencer, fiel ihr wieder ein, und die verlorenen Stunden stürzten jäh auf sie ein: die morgendliche Taxifahrt in die Adelaide Road, das leere Haus der O’Connors, die neugierige Nachbarin, die Polizei, die Wache, Liam, das Einkaufszentrum, Vic Sorvino, der Einkauf, das Problem mit ihrer Kreditkarte, das schreckliche Dröhnen in ihrem Kopf, Bewusstlosigkeit und dann beim Aufwachen Liams Stimme. Wann hast du zum letzten Mal was gegessen ?
Er hatte darauf bestanden, dass sie eine Suppe aß, bevor er sie ins Hotel begleitet und ins Bett gebracht hatte. »Hier«, hatte er gesagt und ihr eine kleine weiße Tablette gegeben.
»Ich kann nicht glauben, dass ich in Ohnmacht gefallen bin – schon wieder.«
»Leg das unter deine Zunge«, erklärte er ihr.
»Was ist das?«
»Etwas, damit du schlafen kannst.«
»Ich muss nicht schlafen«, widersprach sie matt und wenig überzeugend.
»Von wegen. Ich muss arbeiten und will mir deinetwegen nicht den ganzen Tag Sorgen machen. Ich bestelle dir beim Zimmerservice was zum Abendessen. Bis dahin ruhst du dich aus. Du möchtest deiner Tochter doch nicht halbtot gegenübertreten, wenn wir sie finden, oder? Also tu dir und mir einen Gefallen und schluck die verdammte Tablette.«
»Ich hab die verdammte Tablette geschluckt«, erinnerte Marcy sich jetzt.
Dann schlang sie das Steak, die gebackene Kartoffel, das Möhrenpüree, ihren Salat und den Pudding herunter, trank die ganze Flasche Mineralwasser, schob den Wagen in den Flur, kroch zurück ins Bett und schlief fest bis zum nächsten Morgen.
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Es regnete, als sie aufwachte.
Marcy spähte zwischen Lidern, die sich höchstens halb öffnen lassen wollten, auf die Uhr. »Das kann nicht sein«, murmelte sie und beugte sich vor, bis die Digitalanzeige direkt vor ihrer Nase aufleuchtete. War es wirklich schon kurz vor zehn?
Sie hob den Hörer des Telefons ab, drückte die Null für die Rezeption und wartete den fröhlichen Gruß der Dame am Empfang geduldig ab. »Guten Morgen, Mrs. Taggart. Was kann ich für Sie tun?«
»Sie können mir sagen, wie spät es ist«, sagte Marcy mit einer Stimme, die so heiser war, dass sie sie selbst kaum erkannte. Beinahe hätte sie sich umgedreht, um sich zu vergewissern, dass nicht noch jemand im Zimmer war.
»Selbstverständlich. Es wird in diesen Sekunden genau zehn Uhr.«
»Morgens?«
Es entstand eine kurze Pause. »Ist alles in Ordnung, Mrs. Taggart?«
»Mir geht es gut. Danke. Ich habe wohl verschlafen.«
»Dafür hätten Sie sich keinen besseren Tag aussuchen können«, informierte die Frau sie. »Draußen gießt es in Strömen. Da schickt man nicht mal den Hund vor die Tür.«
Marcy blickte zum Fenster. Die schweren lachsfarbenen Vorhänge waren immer noch offen und gaben den Blick auf einen Vormittag frei, der so trübe war, dass es genauso gut noch Nacht hätte sein können. Regentropfen prasselten
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