Herzstoss
hereingekommen bin, auf den Boden, meinen Schreibtisch, an die Wand und überall sonst hingeguckt – nur nicht zu mir .«
»Es hat nichts mit Ihnen zu tun«, sagte Marcy nach einer Pause und fügte, als ihn das augenscheinlich nicht zufriedenstellte, hinzu: »Uniformen machen mich bloß ein bisschen nervös.« Das hätte sie nicht sagen sollen, dachte sie sofort, als sie die erstaunten Gesichter der drei Gardai bemerkte. »Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Ich war schon immer so. Meine Schwester sagt, ich sei schlimmer als ihr Pudel«, setzte sie noch hinzu und versuchte zu lachen, um anzudeuten, dass ihr bewusst war, wie lächerlich das alles klang.
»Ihre Schwester?«, fragte Sweeny. »Ist sie hier in Cork?«
»Nein, sie ist in Toronto.«
»Sollen wir sie für Sie anrufen?«, fragte Colleen Donnelly.
»Wozu sollte das gut sein?«
»Ich dachte, Sie würden sich vielleicht über ein wenig Unterstützung freuen.«
»Nicht jeder Tourist wird an zwei aufeinanderfolgenden Tagen auf die Wache gebracht«, fügte Murphy hinzu.
»Es war nicht meine Idee, das können Sie mir glauben.«
»Sie sind das Opfer«, stellte Sweeny fest, obwohl sein Tonfall etwas anderes sagte.
»Ja. Genau.«
»Erzählen Sie uns, was passiert ist, Mrs. Taggart«, forderte Murphy sie auf.
Marcy seufzte. Nach der Erfahrung vom Vortag wusste sie, dass man sie erst gehen lassen würde, wenn sie eine plausible Erklärung für die Ereignisse geliefert hatte. Sie konnte es ebenso gut gleich hinter sich bringen. »Ich bin in die Pension zurückgekommen …«
»Sie waren den ganzen Tag weg?«, unterbrach Murphy sie.
»Ja.«
»Dürfte ich fragen, wo?«
»Ich bin nach Youghal gefahren.«
»Nach Youghal? Eine Besichtigungstour?«
»Ich habe meine Tochter gesucht.«
Die drei Beamten wechselten einen Blick. »Haben Sie sie gefunden?«, fragte Sweeny.
»Nein.«
»Wieso haben Sie geglaubt, dass Sie sie in Youghal finden würden?«
»Welchen Unterschied macht das?«, fragte Marcy gereizt. »Ich dachte, Sie wollten wissen, was passiert ist, als ich zurückgekommen bin.«
»Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass beides miteinander zusammenhängen könnte?«
»Was?« War das möglich, fragte Marcy sich. »Wie meinen Sie das?«
»Also fahren Sie fort«, sagte Murphy, ohne ihre Frage zu beantworten. »Sie sagten, Sie seien in die Pension zurückgekommen …«
»Ich bin auf mein Zimmer gegangen und habe entdeckt, dass irgendjemand es verwüstet hatte. Alle meine Sachen waren aufgeschlitzt und zerstört.«
»Klingt wie das Werk eines verschmähten Liebhabers«, stellte Sweeny fest.
»Mrs. Doyle hat gesagt, Sie hätten letzte Nacht Gesellschaft gehabt« fügte Murphy hinzu.
»War es der Mann, der Sie gestern hier abgeholt hat?«, fragte Colleen Donnelly.
»So etwas hätte er nie getan«, beharrte Marcy.
»Das heißt, Sie kennen ihn gut?«
»Gut genug, um zu wissen, dass er es nicht gewesen ist.« Marcy fragte sich, ob das stimmte. In Wahrheit kannte sie Vic Sorvino praktisch gar nicht.
»Mrs. Doyle hat gesagt, Sie wären heute Morgen wie von Furien gehetzt weggerannt.«
»Wie von Furien gehetzt, würde ich nicht sagen.«
»Aber Sie hatten es eilig.«
»Ja, vermutlich schon.«
»Waren Sie mit jemandem verabredet?«
»Ja.«
»Haben Sie etwas dagegen, uns zu verraten, mit wem?«
»Ja, habe ich.«
»Mrs. Taggart«, beschwor Murphy sie.
»Sein Name ist Liam. Ich … ich weiß nicht, wie er weiter heißt«, gab sie zu. Sie hätte Liam zumindest nach seinem Nachnamen fragen sollen. »Er arbeitet im Grogan’s House.« Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Colleen Donnelly sich diese neuste Information notierte.
»Der Schauplatz der gestrigen Auseinandersetzung«, bemerkte Sweeny und konnte ein Grinsen kaum unterdrücken.
»Ja.«
»Okay, Sie haben also einen Mann sitzenlassen, um sich mit einem anderen zu treffen«, fasste Murphy zusammen.
»Es ist nicht so, wie Sie andeuten.«
»Klingt für mich wie ein Motiv«, sagte Sweeny. »Wie heißt der andere Typ? Der, mit dem Sie die Nacht verbracht haben«, fügte er unnötigerweise hinzu.
Das war absolut lächerlich, dachte Marcy. Nie im Leben hatte Vic etwas mit der Verwüstung ihres Zimmers zu tun. Sie kannte ihn nicht besonders gut, aber so weit reichte ihre Menschenkenntnis doch gewiss. Sie musste unvermittelt an Peter denken, dessen sorgfältig aufgesetztes Lächeln sie aus den reflektierenden Glasrahmen an der gegenüberliegenden Wand anstrahlte. Sie hatte nicht die leiseste
Weitere Kostenlose Bücher