Herzstoss
gemacht?«
»Wer hatte sonst Zutritt zu dem Zimmer?«, fragte Marcy.
»Außer Ihrem männlichen Besucher, meinen Sie? Dem Sie heute Morgen davongelaufen sind und der den halben Tag auf Ihre Rückkehr gewartet hat, bevor er sich weggeschlichen hat, als niemand geguckt hat?«
»Wovon reden Sie?«
»Ich rede davon, dass Ihr Freund immer noch hier auf Sie gewartet hat, als ich heute Morgen Ihr Bett gemacht habe. Er hat gefragt, ob ich was dagegen hätte, wenn er noch eine Weile bleibt, bis Sie zurückkommen. Ich habe gesagt, das sei mir egal, ich müsste es aber zusätzlich in Rechnung stellen. Er meinte, das wäre kein Problem, er würde sich später darum kümmern. Dann habe ich ihn gut eine Stunde später ohne ein Wort hier rausschleichen sehen. Ich schätze, jetzt wissen wir auch, warum.«
»Das kann nicht sein«, murmelte Marcy. »Er würde nie …«
Sadie lachte höhnisch, ein scharfes Geräusch, das wie ein Besen durch die Luft fegte.
»Wo bewahren Sie die Schlüssel auf?«, fragte Marcy plötzlich.
»Was?«
»Die Schlüssel zu den Zimmern. Sie haben doch bestimmt einen Satz Generalschlüssel …«
»Die sind an einem sicheren Ort.«
»Wo? Hinter dem Empfangstresen?«
Sadies Blick verriet Marcy, dass ihre Vermutung zutraf.
»Und der Empfang ist doch nicht ständig besetzt, oder, Mrs. Doyle?«
»Entweder ich oder Colin sind immer da.«
»Aber manchmal sind Sie auch beide mit anderen Pflichten beschäftigt. Es ist doch möglich, dass jemand hereingekommen ist, die Schlüssel genommen hat und …«
»Und was? Entschieden hat, Ihr Zimmer zu durchwühlen? Warum sollte irgendjemand das tun?«
»Ich weiß es nicht.« Marcys Knie wurden weich, und sie konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. »Ich weiß es nicht.«
»Ach ja? Nun, ich sag Ihnen, was ich weiß. Ich weiß, dass mein Zimmer verwüstet wurde. Und ich weiß, dass irgendjemand für den Schaden aufkommen wird. Ich weiß natürlich nicht, wie gut Sie den Typen kennen, der hier übernachtet hat, aber auf mich hat er ehrlich gesagt einen ziemlich verschlagenen Eindruck gemacht. Vielleicht hat er irgendwas gesucht, vielleicht hat er gedacht, Sie hätten irgendwo Geld rumliegen. Fehlt irgendwelcher Schmuck?«
Marcy blinzelte unter Tränen zu der leeren Schublade, in der sie ihre Ohrringe aufbewahrt hatte. »Meine goldenen Ohrringe sind weg«, sagte sie matt und sah wieder Colin an.
»Warum gucken Sie mich so an? Ich hab sie nicht genommen?«
»Ich beschuldige Sie ja auch gar nicht. Ich versuche nur zu verstehen, was passiert ist.«
»Passiert ist, dass mein Eigentum demoliert wurde, und Sie werden für den Schaden aufkommen«, sagte Sadie Doyle noch einmal.
»Hab ich das richtig verstanden?«, fragte Marcy wütend. Ihre Geduld war erschöpft, ihr Kopf drohte zu platzen. »In mein Zimmer wurde eingebrochen, meine Sachen wurden zerstört, meine Ohrringe sind verschwunden, und das in Ihrem Hotel, und nun erwarten Sie , dass ich Sie entschädige? Sie müssen verrückt sein!«, fügte sie noch hinzu.
»Ruf die Gardai!«, wies Sadie ihren Sohn an.
»Na, hallo, Mrs. Taggart«, begrüßte Christopher Murphy sie und strich durch sein kurz geschorenes blondes Haar. Er schloss die Tür hinter sich und ging auf ihren Stuhl zu. »Nett, Sie wiederzusehen.«
»Meinen Sie, Sie könnten sich Ihren Sarkasmus verkneifen?«, fragte Marcy und konzentrierte sich auf den unordentlichen Stapel Papiere auf dem Schreibtisch des Polizisten, der seit ihrem Besuch gestern offenbar um einiges gewachsen war.
»Wie geht’s dem Auge?«
»Danke, besser.«
»Lassen Sie mal sehen.« Er fasste ihr Kinn und drehte ihr Gesicht behutsam in seine Richtung. »Am besten erzählen Sie mir einfach, was diesmal geschehen ist«, sagte Murphy, als die Tür erneut aufging und Colleen Donnelly den Raum betrat, dicht gefolgt von John Sweeny mit seiner Wampe. Beim Anblick der ordentlichen, dunkelblauen Uniformen begann Marcys Herz schneller zu pochen, und sie schlug unverzüglich die Augen nieder. »Gibt es ein Problem, Mrs. Taggart?«, fragte Christopher Murphy.
»Das Problem ist, dass ich nichts getan habe, und trotzdem hier bin.«
»Schon wieder«, fügte Murphy hinzu.
»Ja. Schon wieder.«
»Würden Sie mich bitte ansehen, Mrs. Taggart.«
Widerwillig hob Marcy den Kopf.
»Wenn Sie nichts getan haben, warum fällt es Ihnen dann so schwer, mir in die Augen zu blicken?«
»Es fällt mir nicht schwer, Ihnen in die Augen zu blicken.«
»Und trotzdem haben Sie, seit ich
Weitere Kostenlose Bücher