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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
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das in Ordnung?«, fragte das Mädchen am Empfang, und leichte Sorge trübte das Blau ihrer Augen. »Es ist eine Luxussuite. Ich fürchte, etwas anderes ist im Moment nicht frei.«
    »Kein Problem.« Marcy schob ihre Kreditkarte über den schwarz-goldenen Marmortresen. Sie konnte ein wenig Luxus gebrauchen, dachte sie und fragte sich, ob sie dasselbe Zimmer bekommen würde, das Vic im Laufe des Tages geräumt hatte.
    »Brauchen Sie Hilfe mit Ihrem Gepäck?«
    »Ich hab keins.« Marcy ließ den Blick durch das in Gold und einem warmen Gelb gehaltene Foyer mit seinen Marmorsäulen und der prachtvollen Mahagonitreppe schweifen. Das Hotel vermittelte den Eindruck eines eleganten, wenn auch großen Herrenhauses der Jahrhundertwende, obwohl es in Wahrheit erst 1996 gebaut und 1999 auf die aktuell achtzig Zimmer erweitert worden war. Nichts war, was es schien, dachte Marcy, als sie ihre Kreditkarte wieder in ihre Brieftasche steckte. »Kann ich hier irgendwo eine Zahnbürste und Zahnpasta kaufen?«
    »Das können wir Ihnen aufs Zimmer bringen, und wir haben einen wunderbaren Wellness-Bereich, in dem diverse Schönheits- und Haarpflegeprodukte verkauft werden«, erklärte ihr das Mädchen am Empfang unaufgefordert.
    Sofort fuhr Marcy sich durchs Haar, strich ein paar Strähnen hinters Ohr und spürte, wie sie sich im Nu wieder lösten. Das Mädchen am Empfang gab ihr ihre Schlüsselkarte. »Sie sind in Zimmer 212. Der Fahrstuhl ist gleich geradeaus. Oder Sie können die Treppe nehmen.« Mit dem Kinn wies sie auf die elegante Freitreppe.
    Im selben Moment rannten zwei kleine Kinder gegen Marcys Beine, ein niedliches Mädchen von etwa acht Jahren, gefolgt von ihrem wilderen, flachshaarigen, jüngeren Bruder. Sie erinnerten Marcy an Devon und Darren, als sie noch klein waren. Das Mädchen entschuldigte sich sofort ausgiebig und blickte mit großen Augen zur Eingangstür. Die Züge in ihrem kleinen Gesicht spannten sich an, als sie ihre Mutter sah, die sich mit Einkaufstüten beladen mühte, mit ihren Kindern Schritt zu halten. Der kleine Junge war so in sein Spiel vertieft, dass er überhaupt nichts mitbekam, sondern weiter im Kreis um Marcy herumrannte.
    Sie wirkte so ernst, dachte Marcy und hätte dem kleinen Mädchen am liebsten über die Wange gestrichen, um ihr zu versichern, dass alles gut werden würde. Aber wie konnte sie ihr solchen Trost zusprechen, wenn sie sich dessen keineswegs sicher war? Hatte sie Devon nicht dieselben leeren Versprechungen gemacht?
    Marcy ging langsam zum Fahrstuhl. Es war ein frustrierender und erschöpfender Tag voller Überraschungen gewesen – erst die Fahrt nach Youghal und die Begegnung mit Claire und Audrey, dann die Rückfahrt nach Cork und der Kuss im Wagen, die Entdeckung ihres verwüsteten Zimmers und zuletzt der demütigende Wiederholungsbesuch auf der Polizeiwache. Die letzten acht Stunden waren die reinste Achterbahnfahrt aus Erwartung und Enttäuschung, Vorwürfen und Verzweiflung gewesen. Hatte sich Devon meistens so gefühlt, fragte Marcy sich, körperlich und emotional ausgelaugt. Es bedurfte all ihrer Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    »Halten Sie den Lift an«, rief eine Stimme mit steifem englischem Akzent. Sekunden später schob die Frau mit den Einkaufstüten ihre beiden Kinder in den Fahrstuhl, sodass Marcy an die Rückwand der engen Kabine gedrängt wurde. »Verzeihung«, sagte die Frau. »Simon, steh still«, befahl sie ihrem Sohn, der sich nach wie vor um die eigene Achse drehte wie ein Kreisel. »Jillian, was ist los Schätzchen?«
    Das kleine Mädchen sagte nichts, ihre Unterlippe zitterte.
    »Was ist los? Gefällt dir das neue Kleid nicht, das wir dir gekauft haben?«
    »Das ist es ja gerade. Das Kleid ist perfekt«, sagte das Kind und sah seine Mutter flehend an.
    »Das verstehe ich nicht«, erwiderte die Frau.
    »Aber wo finden wir bloß Schuhe, die dazu passen«, jammerte das Mädchen. Ihre Mutter lachte. Als sich die Fahrstuhltür im zweiten Stock öffnete, lachte sie immer noch.
    Hatte Marcy je so ungezwungen über ihre Tochter lachen können? Oder hatte sie jedes Stirnrunzeln von Devon als potenziellen Boten drohenden Verhängnisses, als Andeutung einer kommenden Katastrophe gedeutet? Und hatte sie diese Ängste unbewusst auf ihre Tochter übertragen und Zweifel und innere Zerrissenheit geweckt, die zuvor gar nicht vorhanden waren? Hatte sie zu viel in die Dinge hineingelesen … oder nicht genug? »Entschuldigen Sie.« Marcy wand sich um den

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