Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Jason streicht sich über die Haare und wirft einen nervösen Blick auf die Kinder, die engelsgleich auf dem Sofa sitzen und so tun, als hätten sie nur Augen für die Fernsehserie. »Alles okay?«
Er kann nicht fassen, dass ich noch am Leben bin.
»Alles gut«, sage ich und bewege mich im Rückwärtsgang Richtung Tür. »Ich muss jetzt los.«
»Kommen Sie morgen wieder?«, fragt Jason hoffnungsvoll.
Ich werfe einen Blick auf Luke und Leia und könnte schwören, dass sie sich die Lippen lecken.
Wie kann ich es ihm möglichst schonend beibringen? Deine Kinder sind die Brut des Satans, und kein Geld der Welt könnte mich dazu veranlassen, noch mal in deren Nähe zu kommen?
Hmm. Vielleicht doch lieber anders.
»Leider habe ich gerade ein anderes Jobangebot bekommen.« Was im Grunde nicht gelogen ist. »Ich fürchte, deshalb habe ich nun keine Zeit mehr für Luke und Leia.«
Jason Howard fällt vor meinen Augen in sich zusammen. »Wie schade. Ich hatte den Eindruck, dass die beiden Feuer und Flamme für Sie sind.«
»Ja, gewiss.« Ich erinnere mich lebhaft, wie ich Luke ein Feuerzeug entwinden musste, mit dem er die Haare seiner Schwester in Brand stecken wollte. »Tut mir leid.«
Und dann mache ich mich in Windeseile vom Acker und steuere auf direktem Wege das Mermaid an. Ich finde, nach diesem Tag habe ich einen Drink verdient. Oder auch sechs.
Im Pub ist es ruhig, weil die Nachmittagstrinker schon nach Hause getorkelt sind und die Fischerboote noch nicht angelegt haben. An dem Ende des Tresens, wo immer die Einheimischen sitzen, murmelt eine Verrückte irgendwas vor sich hin, und am Kamin haben sich zwei Männer niedergelassen, die verdächtig nach Reportern aussehen. Ich hole mir ein Glas Wein, setze mich in die Fensternische und schaue zu, wie sich die roten und grünen Lichter der Fischtrawler langsam dem Ufer nähern. Dann hole ich mein Notizbuch heraus, starre einen Moment darauf und stecke es wieder weg. Ich bin viel zu müde zum Schreiben. Mein Rücken schmerzt von den morgendlichen Torturen, und dank des Nachmittags mit Satans Abkömmlingen sind meine Nerven völlig zerfetzt.
Ich gebe das nur höchst ungern zu, aber Gabriels Jobangebot erscheint mir von Minute zu Minute verlockender. Soll ich doch annehmen?
Aber sicher. Alles ist besser, als Kindermädchen von Beavis und Butthead zu sein.
Warum zögere ich also noch?
Ich trinke einen Schluck Wein. Das Einzige, was mich davon abhält, ist Ollie. Ich weiß, wie dumm das ist, er ist schließlich mit Nina zusammen, aber ich möchte einfach nicht, dass er glaubt, ich hätte mir so kurz nach der Trennung von James gleich den nächsten Mann geangelt. Das wirkt so oberflächlich, oder nicht?
Ich bin doch echt albern! Hier ist von Ollie die Rede. Von meinem guten alten Freund Ollie, dem Menschen, der mich besser kennt als jeder andere – nicht von irgendeiner Fantasiegestalt. Ollie könnte ich doch von Gabriels bizarrem Vorschlag erzählen, oder?
Ich genehmige mir noch einen großen Schluck Wein und treffe eine beherzte Entscheidung.
Ich werde Ollie anrufen und ihm sagen, dass er mir fehlt. Ich werde mir meinen Stolz verkneifen, kein Blatt vor den Mund nehmen und sämtliche Redensarten kreuz und quer bemühen, wenn es uns damit gelingen sollte, dieses alberne Desaster zu klären und wieder Freunde zu sein. Und so einen Scheiß nie wieder zu machen. Wenn ich eines gelernt habe aus der scheußlichen Krebsangst, dann ist es, dass die Zeit nicht dehnbar ist.
Carpe diem!
Meine Finger huschen über die Handytastatur, als würden sie ein Eigenleben führen, und wählen Ollies Nummer. Es tutet endlos, und schließlich breche ich den Anruf ungeduldig ab und wähle stattdessen seine Handynummer. Nach ein paar Mal Klingeln höre ich ein Klicken, als jemand rangeht.
»Ol!«, schreie ich, und in meinem Bauch tummeln sich wieder diese vermaledeiten Schmetterlinge, die dieses Mal auch noch alle ihre Kumpel mitgebracht haben. »Ich bin’s, Katy! Wie geht’s dir?«
»Hallo, Katy.«
Ninas knappem Tonfall nach zu schließen ist sie alles andere erfreut, mich zu hören. Ich lasse vor Schreck fast das Handy fallen.
»Oh, hallo.« Ich bemühe mich, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Kann ich Ollie mal sprechen?«
»Er ist beschäftigt. Soll ich ihm was ausrichten?«
»Eigentlich nicht. Ich müsste mit ihm selbst reden.«
»Das geht jetzt leider nicht«, sagt Nina, als sei ich ein Telefonstalker, der auch noch beim Essen anruft. »Wir sind
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