Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Heldin. So ein Szenario habe ich allerdings noch in keinem Groschenroman gefunden.
Aber es ist Freitagabend, eine weitere anstrengende Woche, die ich mit überdrehten Jugendlichen zugebracht habe, ist überstanden, und ich werde mich jetzt nicht diesen bedrückenden Gedanken ergeben, die manchmal wie dunkle Falter durch mein Hirn flattern. Hastig verscheuche ich sie. An alldem ist nur der Stress wegen der Hochzeit schuld. Und ich kenne eine hervorragende Arznei gegen Stress! Sie befindet sich in der Tür unseres italienischen Designerkühlschranks und heißt … Alkohol!
Ich greife nach einer Weinflasche und entkorke sie. Die hellgoldene Flüssigkeit gluckert fröhlich ins Glas und noch fröhlicher in meine Kehle; genau das brauche ich nach einem Freitagabend im Supermarkt. Ich hatte ja keine Ahnung, dass man sich beim Einkaufen so besessen aufführen kann. Jemand sollte all diesen Frauen, die da herumrasen wie Möchtegern-Rennfahrerinnen, mal verklickern, dass es supergeile Pizza-Lieferservices gibt!
Beim Gedanken an eine Salami de luxe mit Rindfleischbällchen und extra Käse führt sich mein Magen auf wie der Vesuv kurz vor dem Ausbruch. Vielleicht sollte ich mir eine bestellen. Klar, ich weiß, dass ich mir derzeit kein Fast Food einverleiben sollte, aber eine Pizza kann doch nicht schaden, oder? Und vielleicht eine Portion Knoblauchbrot dazu. Ich mache auch bestimmt ein paar Sit-ups mehr zum Ausgleich.
Mehr Sit-ups? Wen will ich verarschen? Ich werde überhaupt ein paar Sit-ups machen.
Als ich mich Richtung Speisekarte bewege, komme ich an der Keksdose vorbei, was ich als Zeichen des Allmächtigen deute, dass ich mir noch ein paar Schokokekse genehmigen soll. Sobald ich die Pizza bestellt habe, werde ich die Einkäufe weiter auspacken und sogar die Krümel aufkehren. Das ist auch schon sportliche Betätigung.
Vielleicht nehme ich sogar das mit Käse überbackene Knoblauchbrot.
Aber ihr wisst ja, was der Volksmund über Pläne und so weiter zu sagen hat. Denn gerade als meine Fingerchen sich den Telefonhörer angeln wollen, fliegt die Küchentür auf, und meine künftige Schwiegermutter kommt hereingefegt.
Stellt euch Cruella De Vils fiese ältere Schwester vor, und ihr habt ein ziemlich exaktes Bild von Cordelia St. Ellis. Tadellos gepflegt, gezupft, gewachst und minutiös abgesaugt, hat sie ziemlich viel Ähnlichkeit mit einem ausgedörrten Skelett – das allerdings in Klamotten von Joseph gehüllt ist und dessen dürre Krallen mit Chanel bepinselt sind. Es kostet fraglos eine Menge Geld, sich so nachhaltig zu konservieren, weshalb Mrs Ellis auch froh sein kann, dass ihr Sohn einen gutbezahlten Job hat. Cordelia arbeitet nämlich nicht. Gott bewahre! Sie hätte keinen Schimmer, wie sie ihre Brötchen selbst verdienen soll. Außerdem ist es eine Vollzeitbeschäftigung, ihren alternden Körper einzubalsamieren.
Oder aber sie steckt mit dem Teufel unter einer Decke.
Während ich schuldbewusst versuche, meinen Keks möglichst schnell zu zerkauen und runterzuschlucken, lehnt Cordelia elegant im Türrahmen und betrachtet mich mit einem Blick, den man sonst einem Kaugummi angedeihen lässt, in den man reingetreten ist. Ihre Augen sind schiefergrau, und ihr Mund ist so missbilligend zusammengezogen, dass er aussieht wie ein Katzenarsch. Ich bin mal wieder in Ungnade gefallen.
Das ist nichts Neues.
Sie konnte mich schon nicht leiden, als ich sieben Jahre alt war, und die Zeit konnte ihrer Meinung nichts anhaben.
»Was tust du denn da?«, zischt sie, wobei sie sich so schockiert anhört, als hätte sie mich beim Foltern von Säuglingen ertappt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr das erheblich lieber wäre, als dass ich mich mit Kalorien vollstopfe. Dafür gibt es keine mildernden Umstände.
»Ich hatte ein bisschen Hunger«, versuche ich zu antworten, aber es hört sich an, als spräche ich Klingonisch, und ich spucke dabei halbzerkaute Kekssplitter auf die blitzsaubere Marmorarbeitsfläche. »Hab nur einen Keks gegessen.«
»Versuchst du vorsätzlich die Hochzeit meines Sohnes zu torpedieren?«, verlangt Cordelia zu wissen und stützt dabei die Hände in ihre Hüften, die so knochig und spitz sind, dass sie damit Steine zerteilen könnte. »Willst du noch fetter werden, als du schon bist? Na? Willst du das?«
Das ist eine schwierige Frage, da die Kekse wirklich lecker sind. Es ist schon merkwürdig, dass ich mich erst als übergewichtig betrachte, seit ich mit James zusammen bin. Ein bisschen mollig
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