Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
war ich immer schon, dazu reichlich Oberweite, na klar, aber fett? Mrs St. Ellis jedoch, Profi-Körperfaschistin, hat mich ein für alle Mal von der irrigen Vorstellung abgebracht, irgendwie passabel auszusehen.
»Aber ich bin am Verhungern!«, wende ich ein.
»Nein, das bist du nicht.« Cordelia befördert den Inhalt der Keksdose in den Mülleimer. »Kinder in Afrika verhungern. Du bist bloß verfressen. Wenn du zwischen den Mahlzeiten was brauchst, dann iss einen Apfel.«
Ist die völlig verrückt? Wer will denn schon Äpfel essen statt Schokoladenkeksen?
»Wenn du so weiterfrisst, kriegen wir dich nie in dieses Vera-Wang-Kleid Größe 38.«
Ganz ehrlich: Es ist wahrscheinlicher, dass ich zum Mars fliege, als dass ich jemals in ein Hochzeitskleid Größe 38 passen werde. An guten Tagen habe ich – wenn ich den Bauch einziehe und omamäßige Miederhöschen trage – Größe 42.
»Äm, Cordelia«, wage ich einen Vorstoß, »ich bin mir sowieso nicht ganz sicher mit diesem Kleid. Bei Debenhams hab ich eins gesehen, das mir echt gut gefällt …«
»Debenhams!«, ruft Cordelia so entsetzt, als hätte ich kundgetan, splitternackt mit Quasten auf den Brüsten heiraten zu wollen. »Debenhams! Bist du wahnsinnig? Ein Laden auf einer Shoppingmeile?«
Ich weilte, offen gestanden, in dem Glauben, dass die meisten Leute ihre Kleidung genau dort kaufen, bis ich Cordelia St. Ellis näher kennenlernte. Sie muss ihr Dasein auch nicht mit einem Lehrergehalt bestreiten und kann es sich erlauben, alles außer Harrods und Harvey Nicks mit Verachtung zu strafen.
Es muss eine echte Zumutung für sie sein, eine Schwiegertochter zu kriegen, deren Vorstellung vom Paradies ein Großeinkauf bei Topshop ist. Wenn sie nicht so ein altes Schrapnell wäre, könnte sie einem leidtun.
»Ja«, erwidere ich tapfer. »Es ist ein zauberhaftes Kleid, und es kostet nur sechshundert Pfund.«
Und es ist wirklich mein Traumkleid. Nicht das elegante beige Etuikleid, das Cordelia ausgesucht hat und in dem ich vielleicht einen meiner Oberschenkel unterbringe, sondern ein schulterfreier romantischer Traum. Genau die Sorte Kleid, die Millandra zu einem Ball tragen würde, ehe Jake es ihr zärtlich von der seidenweichen Haut streift …
Steigere ich mich gerade in etwas rein? Das passiert schnell, wenn ich nichts aufschreiben kann. Jedenfalls habe ich das Kleid anprobiert, und es saß einfach perfekt. Es kaschierte alle weniger wohlgeformten Stellen, und meine Möpse sahen darin aus wie weiche, perfekt gerundete Pfirsiche. Der cremefarbene Satinstoff hatte genau den richtigen Farbton für meine blasse Haut und ließ sie warm und lebendig wirken. Dieses Kleid ist tatsächlich das einzige, in dem ich mir jemals gefallen habe!
Ich hätte geradezu von mir selbst schwärmen können.
Ich muss es einfach haben!
Aber Cordelia schaut mich an, als sei mir soeben ein zweiter Kopf gewachsen.
»Debenhams!«, wispert sie theatralisch und platziert eine ihrer knöchernen Krallen dort, wo ihr Herz sitzen würde, wenn sie eines hätte. »Ich nehme dich mit zu Vera Wang, wo Jennifer Aniston einkauft , und du willst zu Debenhams?«
Ich bin versucht zu antworten, dass ich bereitwillig mitkäme zu Vera Wang, wenn Brad Pitt in dem Angebot auch enthalten wäre. Aber da für Cordelia ihr Sohn Brad Pitt, Einstein und das Jesuskind in einer Person ist, halte ich die Klappe.
»Was ist nur mit dir los?«, fragt Cordelia und lehnt sich geschwächt an unseren elektrischen AGA-Herd. »Willst du deine eigene Hochzeit ruinieren?«
»Natürlich nicht!«, erwidere ich, obwohl ich ihr den Vera-Wang-Prospekt am liebsten sonst wohin gesteckt hätte. »Ich habe nur gestern dieses andere Kleid anprobiert, und es stand mir viel besser. Freunde haben mir gesagt, dass ich ganz bezaubernd darin aussehe.«
Es empfiehlt sich wohl, ihr nicht mitzuteilen, dass es sich lediglich um einen Freund handelte, Ollie nämlich, und dass er im O-Ton gesagt hatte, ich sähe »total groovy« darin aus. Was wohl das netteste Kompliment ist, das mir jemals zuteilwurde.
Skeptisch ist gar kein Ausdruck für Cordelias Miene. Aber sie hat schließlich auch nicht mit angesehen, wie ich versucht habe, mich in dieses seidene Designerfutteral Größe 38 zu zwängen, an dem sie einen Narren gefressen hat. Es sah aus wie Schlangenhäutung im Umkehrverfahren.
»Und«, fuhr ich fort, »ich kann es quasi von der Stange haben. Man muss es nur ein bisschen kürzen lassen.«
»Von der Stange?«, wiederholt Cordelia
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