Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
jemand, der täglich miterlebt, wie Kinder auf die Tränendrüse drücken.
»Was um alles in der Welt ist hier los?«, verlangt James zu wissen. Er hat seine Brille auf, und seine dunklen Locken sind zerzaust, weil er sich beim Arbeiten immer durch die Haare fährt. Dunkle Schatten liegen unter seinen vor Anstrengung geröteten Augen, und er tut mir von Herzen leid. Er steht so sehr unter Druck, und nun mache ich alles noch schwerer.
»Wenn du wissen willst, warum ich so außer mir bin, musst du Katy fragen!«, schluchzt Cordelia, der nun wahre Niagarafälle aus den Augen stürzen. »Frag sie doch, warum sie mich ständig vorsätzlich verletzt und zurückweist. Ich hab mich immer um ein gutes Verhältnis zu ihr bemüht, aber deine Verlobte hasst mich!«
Ob dieser Niedertracht bleibt mir der Mund offen stehen. »Ich hasse dich doch nicht! Das ist nicht wahr!«
Sie holt zittrig tief Luft, und ihre Augen drohen schon wieder überzulaufen. Wow. Wundert mich, dass die Royal Shakespeare Company nicht schon hier ist, um sie vom Fleck weg zu engagieren. »Ich wünschte, ich könnte das glauben, Katy, aber immer wenn ich versuche, etwas Nettes für dich zu tun, haust du es mir um die Ohren.«
Ich zermartere mir das Hirn, um mich zu erinnern, wann Cordelia jemals etwas wahrhaft Nettes – ohne gehässige Hintergedanken – für mich getan hätte, aber mir will nichts einfallen. Nada. Totale Fehlanzeige.
»Wie damals, als ich dir eine Woche in der Schönheitsfarm spendiert habe«, erklärt sie nun und tupft sich die Augen mit einem Taschentuch ab, das James ihr gereicht hat, »und du wolltest nicht hingehen.«
Das ist so dreist, dass es mir die Sprache verschlägt. Die sogenannte Schönheitsfarm war eine Art Rekrutenlager, in das ich von meiner Schwiegermutter verschickt worden war, um »diesen Rettungsring loszuwerden, weil niemand eine fette Braut sehen möchte«. Da sie ausgesprochen gerissen ist, sagte sie mir das freilich erst, als ich zurückkam. Die »hübsche Überraschung für mich« hatte sie mir in Anwesenheit von James präsentiert, und ich in meiner gnadenlosen Naivität reiste nach Hampshire und freute mich auf Schlammwickel und heiße Bäder – um dann festzustellen, dass ich mich auf Dauerlauf im Morgengrauen, Hindernisparcours und einen sadistischen Trainer eingelassen hatte, der mir Befehle zubrüllte. Das hielt ich ganze dreißig Minuten durch, bevor ich flüchtete, über die Mauer kletterte und Ollie am Telefon anflehte, sofort zu meiner Rettung zu eilen.
Wenn man der Sache etwas Positives abgewinnen will, hatte ich wohl seit Jahren nicht mehr so viel Bewegung, es war also nicht komplett für die Katz …
»Das war völlig daneben, Pummel«, seufzt James, nimmt seine Brille ab und reibt sich den Nasenrücken. »Ma hat ein Vermögen dafür ausgegeben.«
»Aber es war einfach nicht mein Ding«, versuche ich mich begreiflich zu machen, werde aber übertönt von Cordelia, die sich jetzt noch lauter greinend über meinen Mangel an Dankbarkeit beklagt und sich dann an James’ Schulter ausheult, wobei sie sein teures Paul-Smith-Hemd beschmaddert. James klopft ihr beruhigend auf den Rücken und wirft mir über ihren Kopf hinweg finstere Blicke zu.
Na toll. Wieder mal ab in die Hundehütte. Warum gibt er mir nicht gleich einen Knochen und nennt mich Rover?
»Ich versuche an dem Bericht für Amos und Amos zu arbeiten, der, wie du weißt, entscheidend ist für meine Beförderung«, sagt James mit diesem gereizten Unterton, der mir zusehends vertrauter wird. »Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Ich habe einen Anprobetermin für das Kleid versäumt«, erkläre ich. »Nichts Schlimmes.«
»Nicht schlimm?«, heult Cordelia. »Die Anprobe war bei Pilkington Greens! Sie haben Vera Wang eigens gefragt, ob wir dieses Kleid bekommen könnten. Ich musste …«, sie legt eine dramatische Pause ein, »regelrecht katzbuckeln.«
»Du hast den Anprobetermin für dein eigenes Hochzeitskleid versäumt?«, fragt James ungläubig.
»Nicht absichtlich! Aber ich habe auch schon selbst ein Kleid gefunden.«
»Siehst du«, greint Cordelia. »Sie stößt mich ständig zurück. In meinem ganzen Leben bin ich noch nie so verletzt worden!«
»Ich musste das Essen für deine Einladung einkaufen, James«, erkläre ich hastig. »Ich habe einfach vergessen, dass ich in Kensington sein sollte.«
»Nun ist also mein Sohn daran schuld?«, keucht Cordelia empört und fasst sich an die Kehle. »Du schiebst die Schuld auf den armen
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