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Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)

Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)

Titel: Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Saberton
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höchste Anzahl Kranker auf kleinstem Raum aufzustellen. Jemand schnieft lautstark, ein anderer hustet erbärmlich, und ich sehe förmlich vor mir, wie die Bazillen sich vermehren und darum zanken, wer auf wem landen darf. Diese kleine Praxis in West Ealing wäre eine höchst wirksame Waffe, sollte Großbritannien sich jemals auf bakteriologische Kriegsführung verlegen wollen. Ich sitze erst eine Stunde hier und habe schon Halsweh.
    »Katy Carter«, verkündet die Sprechstundenhilfe. »Dr. Allen, Zimmer 5.«
    Ich lege die zerlesene Zeitschrift weg, steige über diverse Gliedmaßen und mache mich auf den Weg zum Sprechzimmer, verfolgt von missgünstigen Blicken, die ich eisern ignoriere. Die letzte Stunde habe ich effektiv genutzt, um mir in Selbstdiagnose jede erdenkliche Krankheit von der Krätze bis hin zu Krebs im Endstadium zu attestieren.
    »Pass doch auf!«, beklagt sich ein Zehnjähriger, über dessen Fuß ich stolpere. »Sonst zeig ich dich wegen Körperverletzung an, du dumme Kuh.«
    Sind Kinder nicht einfach wunderbar? In meiner gegenwärtigen Stimmung habe ich gute Lust, ihm detailliert zu schildern, was ich alles gerne mit ihm machen würde.
    Aber ich besinne mich eines Besseren, als ich den Blick seiner Mutter auffange. Sie sieht aus, als fräße sie für ihr Leben gern kleine rothaarige Menschen zum Mittagessen. Genau der Elterntyp, mit dem ich es an meiner Schule am häufigsten zu tun bekomme.
    Der Arzt schaut auf und lächelt mich an, als ich die Tür öffne. »Kommen Sie rein. Was kann ich für Sie tun?«
    Ich mache den Mund auf, um mich zu erklären, bringe aber keinen Ton hervor. Unter keinen Umständen werde ich meine Titten jemandem präsentieren, der wie mein Großvater aussieht. Geht gar nicht! Ich will dem Arzt gerade mitteilen, dass ich mich geirrt habe, aber es ist schon zu spät. Er schließt die Tür hinter mir und geleitet mich zum Stuhl.
    »Bitte setzen Sie sich.« Er weist auf den gelben Plastikstuhl neben sich und wirft einen Blick auf meine Unterlagen. »Lehrerin? Worum geht es? Stress?«
    Stress ist gar kein Ausdruck, Kumpel.
    »Meine Brust«, bringe ich schließlich hervor, wobei mein Mund sich anfühlt wie die Wüste Gobi. »Ich habe einen Knoten entdeckt.«
    »Sie müssen nicht vom Schlimmsten ausgehen«, sagt Dr. Allen. »Bei einer Frau in Ihrem Alter ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass es sich bei dem Knoten um etwas Unerfreuliches handelt. Ich werde Sie jetzt erst einmal untersuchen. Springen Sie doch bitte auf die Liege und ziehen Sie Ihren Pulli aus.«
    Springen? Die Liege ist fast so hoch wie ich. Ich nehme etwas schwächlich Anlauf und ziehe mich dann hoch. Und seit wann bin ich überhaupt eine Frau? Ich bin doch noch ein Mädchen. Ich mag ausgeflippte Schuhe und rosa Kleidchen. Frauen tragen vernünftiges Schuhwerk und bezahlen pünktlich ihre Rechnungen. Frauen sind alt. Ich bin nicht alt. Ich bin erst knapp dreißig.
    Oh Gott.
    Knapp dreißig? Gerade war ich doch noch fünfundzwanzig.
    Und jetzt bin ich alt.
    »Legen Sie sich hin«, sagt der Arzt und krempelt seine Ärmel hoch, was ich sehr beunruhigend finde. »Heben Sie den rechten Arm über den Kopf.« Ich nehme die Pose von Kate Winslet in Titanic ein und versuche zu vergessen, dass ein wildfremder Mann an meiner Brust herumdrückt. Worüber sollen wir reden? Übers Wetter? Und wieso habe ich ausgerechnet heute meinen ältesten BH angezogen? Angegraute Spitze und faserige Träger machen nicht so einen tollen Eindruck.
    »Wahrscheinlich hab ich mir was eingebildet«, sage ich, als er nach ein paar Sekunden immer noch stumm herumtastet. »Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwende. Soll ich wieder gehen?«
    Ich kann es kaum erwarten, von der Liege zu hopsen und so schnell davonzurennen, wie meine kurzen Beine mich tragen. Er ist ein netter Arzt, aber er ist älter als mein Dad, und ich liege hier mit nackten Möpsen herum. Alle Achtung vor Busenstars; sehr sonderbare Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Vielleicht spricht doch einiges für den Lehrerberuf? Elftklässler sind ein hartes Los, aber wenigstens muss ich nicht meine Titten herzeigen, um sie zu beschäftigen.
    Wiewohl das wahrscheinlich auch irgendwann nötig sein wird.
    »Ich bin sicher, dass ich mir nur was eingebildet habe.« Diese Aussage finde ich ungemein erleichternd. Vermutlich hat mir der Stress der letzten Wochen zu sehr zugesetzt. Ich habe mir wahrscheinlich einen Muskel in der Brust gezerrt, weil ich den ganzen Tag diesen blöden Laptop

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