Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
mit mir herumschleppe. Oder vielleicht ist es auch eine bizarre Nebenwirkung des infernalischen Sportprogramms, das Ollie mir auferlegt hat. Ich wusste immer schon, dass Sport schädlich ist. Ab jetzt werde ich nur noch auf der Couch rumliegen und jeden anderen Faulpelz in den Schatten stellen. Ich werde …
»Ah ja. Da ist er«, sagt der Arzt.
Ich spüre, wie mir das Blut aus dem Kopf in die Zehenspitzen schießt. Einen scheußlichen Moment lang habe ich das Gefühl, ohnmächtig zu werden.
»Ein ziemlich kleiner, weicher Knoten«, fährt der Arzt fort, wobei er bei jedem Wort noch einmal fester drückt. »Ich werde Sie zu einer weiteren Untersuchung an das Daffodil Unit überweisen.«
»Daffodil Unit?«, krächze ich. Ich muss an die Frauen im Shoppingcenter denken, die Blechbüchsen mit dem Narzissensymbol schütteln. Ein- oder zweimal habe ich auch schon ein Pfund in die Büchse gesteckt und bin dann weitergelaufen, ohne daran zu denken, dass ich selbst dort landen könnte. »Aber das ist …« Ich verstumme. Ich kann die Worte nicht aussprechen.
»Die Onkologie.« Der Arzt kehrt zu seinem Computer zurück und gibt ein paar Daten ein, während ich wie erstarrt in meiner Titanic -Pose daliege. »Dort wird eine Biopsie gemacht«, erklärt er. »Danach wissen wir mehr.«
Wir müssen mehr wissen? Wie war das mit »da ist nichts, gehen Sie wieder nach Hause«?
»Glauben Sie, es ist Krebs?«, flüstere ich.
»Es ist vermutlich nichts Besorgniserregendes, aber wir können an diesem Punkt noch keine Diagnose ausschließen.« Er lächelt mich beruhigend an. »Wir werden das abklären. Es könnte eine Zyste sein. Das wäre in Ihrem Alter die naheliegendste Erklärung. Oder ein Fibroadenom.«
Ein was? Wie kann ich etwas haben, das ich nicht mal buchstabieren kann?
Der Arzt kramt in seinem Schreibtisch herum und fördert einen Stapel Broschüren zutage, die er mir schwungvoll in die Hand drückt. Ich packe sie mit meinen schweißnassen kleinen Pfoten und wundere mich, dass sie so hübsch aussehen – mädchenhaftes Rosa und Pastellfarben. Was soll das? Die Aktion »Krebs ist niedlich«?
»Lesen Sie sich das durch«, sagt er. »Darin wird alles erklärt. Und machen Sie sich nicht zu viele Sorgen.«
Keine Sorgen machen? Hat der ein Rad ab? Wie würde er sich wohl fühlen, wenn er einen Knoten an seinem Pimmel gefunden hätte und ich ihm sagen würde, er solle sich keine Sorgen machen? Natürlich mache ich mir Sorgen! Ich bin eine der weltbesten Sorgenmacherinnen, quasi auf Olympianiveau!
Ich ziehe meinen Pulli wieder an. Es kommt mir vor, als hätte ich den ganzen Tag lang nichts anderes getan, als mich anzuziehen.
»Sie sollten binnen vierzehn Tagen vom Krankenhaus Nachricht bekommen. Ich schreibe heute Nachmittag die Überweisung.«
»Vierzehn Tage!«, keuche ich. »Das sind zwei Wochen!«
Für dich mögen das nur vierzehn Tage sein, Kumpel, aber für mich sind es zwei ganze Wochen! Ich werde durchdrehen! Ich weiß von diesem Knoten erst ein paar Stunden und bin jetzt schon fast reif für die Anstalt. Ich kann keine zwei Wochen warten. Bis dahin bin ich völlig plemplem. Ich bin der ungeduldigste Mensch der Welt. Als Gärtnerin völlig untauglich, weil ich sogar Samen wieder ausbuddle, um nachzusehen, ob sie schon gewachsen sind. Und was Weihnachtsgeschenke angeht … die packe ich grundsätzlich vorher aus. Ich werde niemals zwei Wochen warten können. Ich werde explodieren. Oder so überdreht sein, dass ich anfangen werde zu ticken wie eine Uhr.
Kurz und gut: Ich werde wahnsinnig werden.
Und der Himmel steh Ollie bei, der mit mit zusammenleben muss.
»Wenn Sie privat versichert sind, kann ich Sie alternativ ins Nuffield überweisen«, erklärt Dr. Allen, die Finger über der Tastatur. »Da bekommen Sie binnen drei Tagen einen Termin.«
Oh ja! Danke, liebes Jesuskind! Oder vielleicht sollte ich lieber James danken, der sich im Besitz einer dicken, fetten Privatversicherung befindet? Der muss nicht mit einer gesetzlichen Krankenversicherung auskommen. Als er letztes Jahr eine Weisheitszahn-OP hatte, gab es Rund-um-Service mit allen Schikanen: flitzende Krankenschwestern, frischer Kaffee, Plasmafernseher, Zeitungen ans Bett. Ich hätte mich am liebsten dazugelegt. Ja, bitte, das Nuffield! Her damit! Ich will gerade sagen, dass mein Verlobter privatversichert ist und man mich bitte sofort dorthin überweisen soll, als mir einfällt, dass dies ja nicht mehr der Fall ist. James wird nicht angerannt kommen, um
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