Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
rechnete beinahe damit, dass Richard Lomax mit seiner Soutane, umweht von Weihrauchdüften, vorbeischreiten würde.
Ollie und ich quetschten uns zusammen auf ein pfirsichfarbenes Sofa und richteten uns aufs Warten ein. Krankenschwestern eilten vorüber, dicke Akten unter dem Arm, und gelegentlich kamen auch Ärzte vorbei, die man nur an ihrem Stethoskop erkennen konnte. Einige der Wartenden sahen gesund, andere dünn und bleich aus. Auch Partner waren mitgekommen, hielten ihren Lieben die Hand oder murmelten beruhigende Worte, im verzweifelten Versuch, die spürbare Anspannung zu lockern.
Ollie blätterte ein Klatschblatt durch. Stars und Sternchen mit perlweißen Zähnen strahlten uns selbstzufrieden aus ihren perfekt eingerichteten Wohnzimmern entgegen. Beneide mich!, besagte ihre Miene, und in diesem Moment tat ich das wirklich. Eigentlich beneidete ich jeden, der nicht in diesem grausig stillen Raum sitzen musste.
»Katy Carter?« Eine Frau mit vielen Falten und dem klugen wissenden Blick der Igelin Frau Tiggel-Wiggel trat neben mich. »Ich bin Dr. Morris. Ich führe heute Ihre Untersuchung durch.«
Was sollte ich darauf antworten? Oh, prima? Sie hörte sich an, als sei ich zur Gesichtsmassage hier angetreten.
»Wenn Sie mir bitte folgen«, sagte sie, »dann können wir anfangen.«
Schlagartig verspürte ich in jedem Muskel den Impuls loszurennen – eine ganz neue Erfahrung für ein Mädel, das den Verzehr von Schokolade mit Orangenaroma für einen gesunden Lebensstil hält.
»Ihr Mann kann auch mitkommen«, sagte Dr. Morris und lächelte Ollie aufmunternd an. »Das ist vollkommen in Ordnung.«
Sie dachte, Ollie und ich seien ein Paar! Wie komisch war das denn? Ollie sprang abrupt auf. Er schien es kaum erwarten zu können, uns zu folgen. Seine Busenbesessenheit gerät jetzt aber echt außer Kontrolle, dachte ich grimmig.
»Er ist nicht mein Mann«, stellte ich klar. Meine Stimme hörte sich in der Stille seltsam schrill an. »Nur ein Freund von mir.« Unter keinen Umständen würde ich mich vor Ollie ausziehen.
»Dann warte ich hier«, sagte Ollie.
»Du kannst dir ja irgendwo ein Brötchen holen oder so.« Ich bemühte mich um einen heiteren Tonfall, hörte mich aber an, als sei ich am Rande der Hysterie. »Ich komm schon zurecht.«
»Ich warte hier«, wiederholte Ollie in dem Tonfall, mit dem er normalerweise ungebärdige Teenager zur Räson bringt. »Ich gehe nicht weg.«
Als ich das Behandlungszimmer betrat und mich auf die Liege setzte, war ich den Tränen nahe. Eigentlich hätte ich mir nichts mehr gewünscht, als Ollie an meiner Seite zu haben, damit er meine Hand halten und mir alberne Geschichten erzählen konnte, um mich abzulenken. Aber so etwas kann man nur einem Partner zumuten, oder? Dass er zuschaute, wie man mich aufschnitt, war zu viel verlangt und fühlte sich nicht richtig an. Dass ich überhaupt den Wunsch danach verspürte, rückte unsere Freundschaft in ein merkwürdiges Licht.
Alles in meinem Leben veränderte sich, fester Boden wurde zu Treibsand, und das gefiel mir überhaupt nicht.
»Legen Sie sich hin«, sagte Dr. Morris und schaltete ein Gerät ein, das wie ein großer Fernsehbildschirm aussah. »Sie brauchen sich nur obenherum frei zu machen.«
Ein paar Sekunden später wurde kaltes Gel auf meine Brust aufgetragen, und eine Krankenschwester dimmte das Licht. Man hätte geradezu auf den Kinogong warten können.
»Das ist der Ultraschall«, erklärte Dr. Morris und bewegte irgendeine Gerätschaft über meine Haut. »Damit können wir in die Brust hineinschauen und sehen, womit wir es zu tun haben. Eine Mammografie wäre in Ihrem Alter sinnlos, weil das Brustgewebe zu dicht ist und man kaum etwas erkennen kann.«
Ich blickte auf den Bildschirm, wo ein Schneesturm zu toben schien. Fehlte nur noch der Weihnachtsmann mit seinen Wichteln.
»Hier!«, sagte Dr. Morris, als zwischen den welligen grauen Linien ein dunkler Fleck auftauchte. »Da ist der Knoten.«
Sie bewegte die Sonde ein bisschen und runzelte die Stirn.
»Was ist?«, fragte ich und merkte, wie sich mein Puls beschleunigte.
»Ich fürchte, eine Zyste ist es nicht. Es ist durchblutet.«
Durchblutet? Ich fuhr panisch hoch. Was saß da drin, Dracula?
»Das heißt«, fuhr Dr. Morris fort, »wir müssen eine Gewebeprobe entnehmen, um den Tumor genau bestimmen zu können.«
»Glauben Sie, es ist Krebs?«, flüsterte ich.
»Das kann ich an diesem Punkt noch nicht sagen.« Das Licht ging wieder an, und die
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