Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
das Wort mit K überhaupt auszusprechen, weil er sich so davor fürchtet.
Ich sitze auf der Couch, und als ich mich ein bisschen bewege, zucke ich vor Schmerz zusammen. Weil ich zwei Nähte unter der Brust habe, die mit einem dicken Verband verpflastert sind, kann ich keinen BH tragen, was an sich schon ein Alptraum ist. Ich sehe aus, als hätte ich mir von irgendwem einen Riesenbusen ausgeborgt.
Aber ich will mich wirklich nicht beklagen. Ich hätte niemals geglaubt, dass es mal einen Tag geben würde, an dem ich froh wäre, mit Schmerzen und verbundenem Oberkörper herumzusitzen, aber das Leben ist eben voller Überraschungen. Wie zum Beispiel der, dass ich am Dienstagabend einen Anruf von einem Mr Worthington bekam. Der Onkologe vom Nuffield erklärte mir, am Mittwochmorgen sei kurzfristig ein Termin frei geworden. Als ich ihm klarzumachen versuchte, dass ich Kassenpatientin sei, erwiderte er ruhig, alle Kosten würden übernommen und die Überweisung sei bereits bei ihnen eingetroffen.
Die liebe alte Jewell. Sie ist wirklich meine gute Fee. Ich nehme mir vor, einen erneuten Versuch zu starten, um mich zu bedanken, obwohl es für meine Dankbarkeit eigentlich gar keinen Ausdruck gibt. Seit zwei Tagen geht sie nicht ans Telefon, und ich will ihr doch unbedingt mitteilen, wie heilfroh ich bin. Das ist wirklich das Gütigste, was man jemals für mich getan hat. Ich meine, der Knoten ist immer noch da, und das fühlt sich scheußlich an, aber wenigstens muss ich jetzt nicht wochenlang warten.
Vielleicht habe ich doch einen Schutzengel.
Ich habe Ollie erzählt, dass Jewell offenbar die Untersuchungen für mich bezahlt hat und dass ich ihr jetzt einen gigantischen Gefallen schuldig bin. Er meinte daraufhin, jeder, der mich liebt, hätte ohne mit der Wimper zu zucken dasselbe getan – was lieb gemeint, aber nicht zutreffend ist. Meine Eltern lieben mich, aber sie sind nicht nur ballaballa, sondern auch mittellos, und was James angeht … nun ja, über den schweigt man besser.
Das Telefon gibt immer noch keinen Ton von sich. Ich wandere in die Küche, fülle den Wasserkessel, kaue gedankenverloren eine Handvoll Erdnüsse und befördere gammeliges Gemüse in die Mülltonne. Ollie war so lieb zu mir, da kann ich wenigstens die Küche für ihn ausmisten. Er hat mich sogar zur Biopsie ins Krankenhaus begleitet, was weit über einen reinen Freundschaftsdienst hinausgeht.
Und es war kein Zuckerschlecken. Beim nächsten Mal würde ich mir gern was weniger Schmerzhaftes aussuchen, eine Wurzelbehandlung ohne Narkose vielleicht – wiewohl ich freilich hoffe, dass es kein nächstes Mal geben wird. Ich unterbreche meine Teezubereitung, als mir der abscheuliche Gedanke kommt, dass im schlimmsten Fall Heerscharen unerfreulicher medizinischer Untersuchungen auf mich warten. Was Schmerzen angeht, bin ich ein totaler Angsthase. Der Himmel steh mir bei, sollte ich jemals ein Kind zur Welt bringen; wahrscheinlich werde ich dafür eine Vollnarkose brauchen. Ich bin in Ohnmacht gefallen, als meine Ohrlöcher gestochen wurden!
Da Ollie das alles weiß, hat er darauf bestanden, mich ins Nuffield zu begleiten. Was wirklich gut war, denn ich hatte die ganze Nacht im Internet gesurft und mich über jede Info mehr aufgeregt, so dass ich gegen Morgen Ähnlichkeit mit einem rothaarigen Wackelpudding aufwies. Ohne Ol, der mir Frühstück machte und mich ins Krankenhaus begleitete, würde ich wahrscheinlich immer noch mit der U-Bahn im Kreis fahren und versuchen, genügend Mut für den Gang in die Klinik aufzubringen.
Ich drücke den Teebeutel aus und schaue auf die Uhr. Halb drei. Die müssten doch jetzt mit den Labortests fertig sein und die Ergebnisse haben? Mein Puls rast, und ich habe einen derart hohen Adrenalinspiegel, dass mir die Hände zittern. Vielleicht habe ich auch zu viel Koffein intus.
»Verflucht, jetzt klingel endlich«, sage ich zum Telefon.
Die Onkologieabteilung des Nuffield ist in sonnigen Gelbtönen gestrichen, und an den Fenstern hängen zarte pastellfarbene Gardinen – ein unerwarteter Farbrausch am Ende eines zinngrauen Gangs. Wenn man die Aufnahmeformalitäten hinter sich hat, sieht man dort nirgendwo mehr typisches Krankenhausmobiliar. Die wartenden Frauen saßen auf weichen Sofas, tranken Kaffee und blätterten mit starrem Blick in Hochglanzmagazinen. In einer Ecke des Wartezimmers gluckerte eine Kaffeemaschine, doch davon abgesehen herrschte eine nahezu andächtige Stille im Raum, fast wie in einer Kirche. Ich
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