Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Hirn fühlt sich an wie Quark.
»Entschuldigung«, bringe ich hervor. »Können Sie das noch mal wiederholen?«
Sie lacht. »Es ist eine gute Nachricht, Katy. Sie haben ein Fibroadenom, das ist ein gutartiges Geschwulst.«
»Ich habe also nicht Krebs?« Ich muss das schlicht formuliert hören, nicht in diesem Ärztechinesisch.
»Nein, Sie haben nicht Krebs«, bestätigt Dr. Morris geduldig. »Ein Fibroadenom ist vollkommen gutartig. Wir melden uns wieder, um zu besprechen, ob Sie es entfernen lassen möchten. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.«
Ein schönes Wochenende? Im Ernst? Dr. Morris legt auf, und ich stehe mitten im Wohnzimmer und drücke immer noch das Telefon ans Ohr. Ich bin völlig verdattert. Ich war so sicher, eine schlechte Nachricht zu bekommen, dass ich jetzt völlig von den Socken bin. Auf einen Grund zum Feiern bin ich überhaupt nicht vorbereitet.
»Es ist nichts Böses«, sage ich langsam zu Sasha, die in hündischem Entzücken mit dem Schwanz wedelt. »Es ist alles gut! Heiliger Bimbam, alles ist gut!«
Es kommt mir vor, als hätte ich tagelang zehn Tonnen Zement auf dem Kopf herumgeschleppt, die jetzt schlagartig verschwunden sind. Ich könnte wie ein Heißluftballon über die Dächer von West London schweben und in einen Himmel voll unbegrenzter Möglichkeiten aufsteigen. Tage, Monate und Jahre breiten sich vor mir aus, Abermillionen von Minuten, die ich mit beiden Händen greifen und so nutzen kann, wie ich möchte. Kein Gejammere mehr wegen James. Kein Genörgel wegen meines Berufs. Kein Aufschieben des Romanschreibens mehr in ferne Zukunft. Keine Sekunde werde ich vergeuden.
»Es ist gut! Alles gut! Alles gut!«, kreische ich wie eine Wahnsinnige und rase torpedogleich durchs Haus, gefolgt von der begeistert bellenden Sasha. »Alles gut!«, berichte ich Zwicki, der mir fröhlich zuzwinkert. »Alles gut!«
So hätte ich vermutlich stundenlang weitergemacht, wenn nicht Mrs Sandhu an die Wand geklopft und irgendwas auf Hindi geschrien hätte. Ihr Baby hat zu weinen angefangen.
Huch.
Was soll’s. Ich bin so energiegeladen, dass ich monatelang die Stromversorgung fürs ganze Land übernehmen könnte. Meine Lethargie ist schneller verschwunden als Gabriel Winters’ Hose in einer Sexszene, und ich verspüre nicht mehr das geringste Bedürfnis, Nägel zu kauen. Mein Leben ist wieder normal.
Von wegen.
Ich werde es so was von verändern.
10
A ls Ollie von der Schule nach Hause kommt, habe ich schon eine halbe Flasche Moët intus und bin etwas heiser von einer langen lebhaften Unterhaltung mit Maddy.
»Der Mann ist ein Engel!«, kreischte sie, als ich ihr von Ollies Beistand erzählte. »Der darf dir nicht durch die Lappen gehen!«
»So ist das nicht zwischen uns«, erwiderte ich. »Ich steh überhaupt nicht auf ihn.«
»Bist du nicht mehr ganz bei Trost?«, fragte sie, und im Hintergrund ertönte zustimmendes Möwengeschrei. »Der sieht doch super aus und hat einen echt hübschen Arsch.«
»Das stimmt, rein ästhetisch betrachtet, aber du hast keine Ahnung, wie er wirklich ist: überquellende Mülltonnen, hochgeklappte Klodeckel, schmutzige Socken im ganzen Haus verstreut – er ist jedenfalls nicht mein romantischer Held, falls du das glaubst.«
»Willkommen im echten Leben«, sagte Mads. »Da geht’s nicht zu wie in deinen Schnulzen, verstehst du? Richtige Männer furzen und schnarchen und reißen die Bettdecke an sich.«
»Das weiß ich. Aber Ollie …«, ich zögerte, »ist eben einfach Ollie für mich, ein großer gemütlicher Typ, der Hunde mag und mir immer aus der Patsche hilft.«
»Blödsinn!«, schnaubte Mads. »Der ist doch supersexy. Ich würd mich sofort über den hermachen. Hübsche sportliche Figur, nettes Gesicht und tolle erotische Arme. Stehst du nicht mal ein ganz kleines bisschen auf ihn?«
Mads hat bei Männern eine Fixierung auf Arme.
»Wenn man so was mag, ist er bestimmt attraktiv«, räumte ich ein.
»Also stehst du doch auf ihn!«, kreischte Maddy so laut, dass sie sogar die Möwen übertönte.
Ich hätte mir am liebsten die Zunge rausgerissen. Niemals werde ich begreifen, weshalb Bond-Schurken sich mit Haien und Laserkanonen abmühen. Sie müssten 007 lediglich mit Moët abfüllen, dann würde er singen wie ein Kanarienvogel.
»Nein! Ich hab nur zugegeben, dass er nicht gerade hässlich ist. Und selbst wenn ich auf ihn stehen würde – was ich nicht tue –, könnte das nie was werden mit uns. Ollie steht auf so dürre Latten wie
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