Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
gesagt?«
»Er meint, es bestünde erst mal kein Grund zur Beunruhigung«, antwortete ich. »In diesen ganzen Broschüren, die er mir gegeben hat, steht, dass solche Knoten häufig vorkommen. Neun von zehn sind offenbar gutartig. Aber wenn ich jetzt Pech habe und …«
»Daran darfst du gar nicht denken!«, sagte Ollie und umarmte mich mitten in meinem Klassenzimmer. Zwei Elftklässler, die draußen vorbeigingen, pfiffen, und einer rief: »Der steht auf Sie, Miss!«
»Du ruinierst gerade deinen Ruf.« Ich löste mich von ihm und wischte mir mit dem Handrücken das Gesicht. »Außerdem brichst du Miss White vom Darstellenden Spiel das Herz.«
Die arme Ellie White ist schon seit Anfang des Schuljahrs in Ollie verknallt. In Konferenzen versucht sie neben ihm zu sitzen, und seit Neuestem geht sie immer früh morgens schwimmen, in der Hoffnung, dass er sie bemerkt. Es muss sie wirklich schlimm erwischt haben. Ollie hat allerdings bislang weder auf ihre glühenden Blicke reagiert noch auf ihre Anfragen, ob er sie bei Schulausflügen begleitet. Was ihm gar nicht ähnlich sieht. Offenbar steht er wirklich sehr auf Nina.
»Kein Problem«, erwiderte Ollie. »Außerdem ist Ellie echt nicht mein Typ.«
»Wieso denn nicht?«, fragte ich mit gespieltem Erstaunen. »Sie atmet doch!«
Ollie nahm meine Hand und drückte sie. »Jetzt hör mal auf mit der Witzelei und sei einen Moment ernst. Was passiert als Nächstes?«
Ich erzählte ihm von der geplanten Untersuchung und der vierzehntägigen Wartezeit. Wie es mir damit ging, brauchte ich Ollie nicht zu schildern; er kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich mich bis dahin in meine Einzelteile aufgelöst habe.
»Ich kann das nicht selbst bezahlen«, sagte ich, als er den Vorschlag machte. »Es kostet ein Vermögen. Ich hab im Internet nachgeschaut, und glaub mir, ich müsste eine Bank ausrauben oder auf den Strich gehen, um mir das leisten zu können. So was ist schweineteuer, Ollie. Allein hundert Steine für den Arzt, von den Untersuchungen ganz zu schweigen. Da blecht man schon zweihundert Pfund für einen Bluttest.«
»Aber dein Seelenfrieden ist doch jeden Penny wert.«
Ich dachte an die Kontoauszüge, die wohl immer noch ungeöffnet unter der Spüle in James’ Küche liegen. Wenn vor den Zahlen nicht dieses ärgerliche Minuszeichen wäre, stünde mein Konto gar nicht schlecht da. »Gut gemeint«, sagte ich. »Aber das ist nicht drin, daran brauche ich wirklich keinen Gedanken zu verschwenden. Ich muss eben zwei Wochen warten. Das geht allen anderen auch so.«
»Aber das ist doch eine Schande!«, tobte Ollie. »Wie sollst du denn mit dieser Unklarheit zwei Wochen lang normal weiterleben? Das ist doch kein Zustand!«
Tante Jewell war auch dieser Meinung gewesen, als ich sie angerufen hatte. Zuvor hatte ich versucht, meine Mutter ans Telefon zu bekommen, weil ich sie bitten wollte, ein paar Kristallkugeln für mich zu schwenken oder mir weißes Licht zu senden oder etwas in der Art, aber sie war in einem Retreat, um mit ihrem Schutzengel in Verbindung zu treten.
Ich konnte nur hoffen, dass sie meinem vielleicht auch begegnen würde.
Bei Jewell hatte ich es dann auf dem Rückweg vom Arzt zur Schule probiert.
»Oh mein Gott«, hatte sie entsetzt ausgerufen. Ich hatte sie förmlich vor mir gesehen: die langen grauen Haare nach hinten gebunden, die knochige Hand an die Brust gepresst. »Das ist ja eine schreckliche Nachricht! Meine arme Kleine! Wie kannst du es nur ertragen, nichts Genaues zu wissen? Das würde mich in den Irrsinn treiben.«
Ich liebe Jewell wirklich von Herzen, aber als Gott das Mitgefühl verteilt hat, stand sie ganz hinten in der Schlange. Immerhin hat sie sich wenigstens angestellt, im Gegensatz zu Mads.
»Schätzchen, ich könnte so was nicht aushalten. Wie grauenvoll. Ich könnte geradezu in Tränen ausbrechen, wirklich«, sagte Jewell dann noch.
Ich habe nicht vielen Leuten von der Sache erzählt, aber ihre Reaktionen sagten sehr viel über den jeweiligen Menschen aus. Ollie zum Beispiel war fantastisch. Er hörte zu, kochte mir wunderbares Essen, trocknete meine Tränen, lieh mir klaglos kitschige Frauenfilme aus, erlaubte mir, auf Sky herumzuzappen … Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Mads weinte und sagte, Richard würde mich in seine Gebete aufnehmen. Jewell war dramatisch, aber positiv eingestellt (»Wer braucht schon Brüste, Schätzchen? Lästige Teile, die stören nur beim Trampolinspringen!«), und Frankie weigerte sich,
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