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Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)

Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)

Titel: Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Saberton
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zu machen statt dich selbst. Deine eigenen Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse hast du untergeordnet. Du bist ein Opfer des Patriarchats.«
    Hatte ich erwähnt, dass Jewell in den Siebzigern eine militante Feministin war? Sie behauptet, Germaine Greer hätte alles von ihr gelernt (»Obwohl sie in Big Brother wirklich ein ziemliches Theater veranstaltet hat! Man hätte meinen können, nach jahrelanger Belagerung der Atomwaffenbasis hätte sie die Wohnung als Luxusapartment empfinden müssen!«).
    »Ja, aber macht man das nicht immer so, wenn man jemanden liebt? Den anderen Menschen an erste Stelle setzen?«
    »Aber nicht, indem man seine eigene Persönlichkeit aufgibt, Liebes. Denk doch mal über die letzten Jahre nach. Wann hast du wirklich das getan, worauf du Lust hattest? Sogar deine Hochzeit wäre nach James’ Geschmack gestaltet worden.«
    Ich trinke einen großen Schluck Tee. Jewells Worte erwecken halbverborgene Ängste zum Leben, die nun wie Schemen aus dem Nebel nach und nach Gestalt annehmen.
    Ich bin peinlich berührt, als mir bewusst wird, wie ich mich verhalte, sobald ich eine Beziehung eingehe. Es ist beinahe so, als ob ich den Mann automatisch höher bewerte als mich selbst. Ich verabrede mich nicht mehr mit Freunden, für den Fall, dass der Mann irgendwelche Pläne mit mir hat – weil ich fürchte, eine schlechte Freundin zu sein, wenn ich nicht dauernd verfügbar bin. Und weil ich fürchte, dass er sich dann nach einer anderen umschauen wird, die größer, dünner und deutlich weniger rothaarig ist. Ich setze alles daran, dass er sich wohl fühlt, und vernachlässige meine eigenen Interessen so extrem, dass ich mich irgendwann kaum mehr daran erinnern kann, was ich selbst eigentlich für Hoffnungen und Träume hatte. Und dann bleiben nur noch erbärmliche Gefallsucht übrig und der klägliche Versuch, vom jeweiligen Mann ein paar Almosen an Zuwendung zu ergattern. Ich sollte eigentlich ein kariertes gerüschtes Hauskleid tragen, denn ich bin die perfekte Verkörperung eines Hausweibchens aus den fünfziger Jahren.
    Hmm. Scheint, als hätte ich ein paar Probleme mit meinem Selbstwertgefühl.
    Je länger ich über mein einwandfrei idiotisches Verhalten nachdenke, desto frustrierter werde ich. Was hat mir die ganze Selbstaufopferung denn nun gebracht? Wusste James die totale Aufgabe meiner Identität zu schätzen, oder hielt er mich für einen Fußabtreter und sah nur knapp davon ab, mir »Willkommen« auf die Stirn zu schreiben und sich auf mir die Schuhe zu säubern?
    Ich glaube, wir alle kennen die Antwort auf diese Frage.
    »Ich bin so furchtbar dumm«, stöhne ich.
    »Bist du nicht, Schätzchen!«, ruft Jewell aus. »Du bist ein wunderbares, großherziges Mädchen, das leider leicht Gefahr läuft, von rücksichtslosen Menschen ausgenutzt zu werden. Außerdem«, sie redet sich zusehends in Fahrt, »bin ich der Meinung, dass deine Eltern sich ruhig mal fragen könnten, warum du so leicht in emotionale Abhängigkeit gerätst. Die beiden sind zwar tolle Menschen, aber als Eltern waren sie ziemliche Nieten. Kein Wunder, dass du versuchst, in Beziehungen die Geborgenheit zu finden, die du in deiner Kindheit vermisst hast.«
    Sie hält inne, und ich weiß, dass wir jetzt beide an jenen kalten Dezembermorgen denken, an dem meine Eltern beschlossen hatten, unbedingt nach Marokko gehen zu müssen, und Holly und mich mitsamt einer hastig gekritzelten Nachricht vor Jewells Haustür zurückließen. In dem darauffolgenden halben Jahr, in dem Jewell sich unserer annahm, redete ich mir ein, dass meine Eltern nicht verschwunden wären, wenn ich eine hübschere artigere Tochter gewesen wäre, die nicht über Moms stinkenden Afghanenmantel meckerte, klaglos Mungobohnen aß und alles tat, was von ihr verlangt wurde. Ich gelangte zu der Überzeugung, dass der Wunsch meiner Eltern, in der Weltgeschichte herumzureisen, Hasch zu rauchen und ihre Chakras zu sortieren, auf meine Unzulänglichkeit zurückzuführen war.
    Man muss nicht Sigmund Freud sein, um zu kapieren, worauf das alles hinausläuft.
    »Aber um deine Eltern brauchst du dich jetzt nicht zu kümmern«, fährt Jewell fort. »Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, wie du dein Leben weiter gestaltest. Betrachte diese Situation doch als Chance für Veränderungen. Du hast James kostbare Jahre deines Lebens geschenkt – nun könntest du dir selbst mal was gönnen. Und was deine Gesundheit angeht, bist du auch glimpflich davongekommen. Vielleicht

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