Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Erde auf den gepflügten Äckern ist ziegelrot und steht in leuchtendem Kontrast zu den dunklen Baumgruppen und dem türkisblauen Himmel. Neben dichten Wäldchen sitzen kleine Cottages wie Inseln in einem Meer aus Kornfeldern und Weiden. Für jemanden, der aus Ealing kommt, wo sich die Leute nur sicher fühlen, wenn der nächste Supermarkt nicht weiter als fünf Minuten entfernt ist, fühlt sich das alles erfrischend fremd an. Vielleicht werde ich in der Natur Trost finden wie eine der romantischen Heldinnen aus der Literatur? Ein Jammer, dass Wordsworth seit dreihundert Jahren den Lyrikmarkt beherrscht, denn ich vermute stark, dass meine gequälte Seele derzeit eine imposante lyrische Ballade hervorbringen könnte.
Am schönsten finde ich die Fahrt, als der Zug so dicht am Meer entlangfährt, dass ich fast den Fuß reinstrecken könnte. Ich fühle mich wie in einem fremden Land; die glitzernde See hat so gar keine Ähnlichkeit mit der schlammbraunen Themse, und die bedächtige, gelassene Sprechweise der anderen Fahrgäste hat nichts gemein mit dem Straßenslang der Jugendlichen an meiner Schule. Die Fischerboote und Windsurfer mit den bunten Segeln erinnern mich an Ollie. Wenn er jetzt hier wäre, würde er sich die Nase an der Scheibe platt drücken und mir eifrig erklären, was für Manöver sie ausführen können. Ollie kann einen ganzen Tag über Windsurfen reden, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.
Mit mir redet er derzeit allerdings wenig. Er hat es gerade mal geschafft, meine Abreise zu registrieren und mir in mürrischem Tonfall viel Glück zu wünschen.
Offenbar färben Ninas Charme und ihr freundliches Wesen schon auf ihn ab.
Wie ich es Jewell versprochen habe, nehme ich nun tatsächlich eine Auszeit von meinem Job und ziehe für eine Weile zu Maddy, um mein Leben als Autorin von Liebesromanen zu beginnen. Maddy ist schon ganz versessen darauf, mir die scharfen Männer zu zeigen, und natürlich werde ich meinen Roman in dem neuen Notizbuch schreiben, das Frankie mir am Bahnhof gekauft hat.
»Und du bist dir wirklich sicher, Schätzelchen?«, fragte er mich am Bahnsteig.
Frankie hat Bedenken, weil ich bei Mads wohnen will. Er findet die Vorstellung von Männern in Priestergewändern zwar aufregend, ist aber nicht sonderlich angetan von Richard. Weshalb ich ihm wohlweislich verschwiegen habe, dass Richard noch nicht mal was von seinem Glück weiß. Mads und ich hielten es für besser, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen. Und was soll er uns schon antun, wenn wir es ihm sagen? Er ist schließlich Pfarrer.
»Ich bin mir absolut sicher«, antwortete ich. »Hier halte ich es keine Sekunde länger aus. James macht mich rasend, und außerdem ist es besser, wenn ich Ollie und Nina in Ruhe lasse.«
Frankie runzelte die faltenlose Stirn. »Ich begreife diese ganze Nina-Geschichte überhaupt nicht. Die Frau passt doch überhaupt nicht zu ihm. Kannst du nicht hierbleiben und ihn dazu überreden, der den Laufpass zu geben? Du kriegst deine Stelle sicher sofort wieder, wenn du nett zum Direx bist.«
»Ich will aber meine Stelle gar nicht wiederhaben. Diese Krebssache hat mich aufgerüttelt. Auch wenn es so schwer ist, dass ich daran eingehe – ich will jetzt was anderes ausprobieren.«
»Hast wahrscheinlich recht«, meinte Frankie, als er mir in den Zug half. »Jewell sieht das schon richtig. Du wirst dich besser fühlen, wenn du was unternimmst, anstatt auf deinem Arsch zu hocken und dich wegen James zu bemitleiden. Das hätte Hamlet auch nichts gebracht, oder?«
»Hamlet ist durchgedreht und starb«, rief ich ihm in Erinnerung.
»Ach, echt?«, sagte Frankie erstaunt. »Ich hab mir das nie zu Ende angeguckt – war zu grausam für mich, mir vier Stunden lang diese ganzen schönen Jungs in Strumpfhosen anzuschauen, ohne an sie ranzukommen. Ich musste rausgehen und was trinken, um mich abzuregen.« Er riss sich mit Mühe aus seinen verführerischen Erinnerungen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir vergleichsweise langweiligem Wesen zu. »Und du weißt noch, was ich dir wegen Gabriel Winters gesagt habe?«
»Wenn ich ihn sehe, soll ich dich sofort anrufen«, betete ich artig vor.
»Ganz genau!« Frankie klatschte in die Hände. »Ich hab ja jetzt deine Nummer und komm dich bald besuchen.«
Damit wandelte er von dannen, um Zwicki beim Schaffner abzugeben, und ich blieb, den Tränen nahe, zurück. Trotz seiner Überdrehtheit mag ich Frankie echt gern. Carrie aus Sex and the City hat wirklich
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