Herzüberkopf (German Edition)
jetzt am See, war er mehr als froh darüber, nicht fern von seiner Heimat zu sein.
Die Sonne hatte noch viel Kraft zu dieser Stunde, als Louis erfrischt aus dem Wasser kam. Er war zudem früher dran als sonst und freute sich darüber, setzte sich auf seine Decke und packte sein Manuskript aus. Gewöhnlich las er den letzten Teil der vorhergehenden Sitzung, arbeitete sich somit in die Geschichte hinein und begann zu daran weiter zu schreiben.
Louis hockte aufrecht im Schneidersitz, sein Manuskript auf den Beinen und war völlig in seine Arbeit vertieft, als ein Schatten ihm das Sonnenlicht stahl. Aus seiner fernen Welt herausgerissen, etwas erschrocken, schaute er auf und vor ihm stand lächelnd die schöne Schwimmerin der letzten Abende.
„Na, so ganz vertieft ins Schreiben? Es scheint ja spannend zu sein, was du schreibst“, sagte sie und legte ihr mitgebrachtes großes Strandtuch noch zusammengerollt auf einen Stein daneben.
„Ich habe dich wirklich nicht gehört. Hallo … ja, wenn ich so mitten in der Geschichte bin, vergesse ich schon manches Mal, wo ich gerade sitze“, antwortete Louis lächelnd und konnte es noch nicht ganz glauben, dass ausgerechnet sie …
„Und, schreibst du einen Roman?“, fragte sie neugierig und sah Louis dabei direkt in die Augen, sodass er einen Atemzug ausließ und sich kaum auf ihre Frage konzentrieren konnte.
„Ja, ein Roman soll es werden. Allerdings ist es eine Geschichte, die mein Vater erlebt und mir erzählt hat. Und nun schreibe ich sie. Im Grunde wird es eine Liebesgeschichte“, erklärte Louis und sein Gesicht erstrahlte über die unvorhergesehene Begegnung an diesem Abend.
„Eine Liebesgeschichte, das klingt spannend“, sagte sie, während sie sich inzwischen daneben auf ihr zusammengerolltes Handtuch setzte und ihre braunen Sandaletten auszog.
„Wenn es dich interessiert, erzähle ich dir ein wenig daraus“, erwiderte Louis und schaute ihr dabei zu, wie sie das ihm bereits bekannte, petrolblaue knöchellange Baumwollkleid abstreifte und darunter einen dunkelblauen Bikini auf ihrem makellosen, schlanken und überaus sportlichen Körper trug.
„ Ich bin interessiert. Gerne, aber zuerst gehe ich schwimmen, weshalb ich gekommen bin“, antwortete sie dialektfrei, wie es Louis auffiel und im nächsten Augenblick bewegte sie sich geschickt barfuß auf den Steinen gehend zum Ufer hinunter und tauchte wenig später in das Wasser ein.
In Louis stieg eine Freude auf, die ihn mächtig einnahm und am liebsten wäre er mit ihr geschwommen, doch er sah ihr nur nach, wie sie elegant das schon spiegelglatte glitzernde Seewasser teilte und hinausschwamm. Louis hielt noch immer das Manuskript, das auf seinen Knien lagerte, so wie er dagesessen hatte, das Schreibgerät in der Hand und wollte den Satz zu Ende bringen, den er angefangen hatte, doch stattdessen wanderte sein Blick vom See hinüber zu dem Stein in nächster Nähe, auf dem ihr Handtuch, das Kleid und die Sandaletten lagen und wieder zurück zum See, wo er sie nur noch ungenau erkennen konnte, so weit draußen war sie schon. Louis legte schließlich das Schreibzeug weg und zog sich um, da die Sonne in den nächsten Minuten hinter den Tannen versinken würde und er nicht mehr die Absicht hatte, noch einmal schwimmen zu gehen. Als sie aus dem Wasser stieg und zurückkam, hatte er den letzten Satz noch immer nicht fertig und sah sie heiter an. Sie lächelte zurück und sagte:
„Wie sagtest du noch … es ist, als wasche man den Tag von sich ab … nicht wahr?“
„Ja“, antwortete Louis, „genauso empfinde ich es immer, wenn ich abends hierherkomme und zuerst einmal hinausschwimme, so wie du.“
„Da ist was dran“, antwortete sie, während sie sich abtrocknete und sich auf einen Stein setzte. Sie schwieg und schaute auf den See hinaus. Es entstand für einige Augenblicke eine Stille und eine Stimmung, die kaum zu beschreiben möglich ist. Wenn man so nah und doch fremd nebeneinander sitzt, entsteht derartiges nur sehr selten. Etwas, das eigentlich zwei seit längerer Zeit aufeinander abgestimmte Menschen nur kennen.
Auch Louis sah entspannt auf den See hinaus und gleichsam nahm er aufmerksam ihr Profil wahr. Ihre aufrechte Haltung, ohne irgendwo anzulehnen, ihre schmale geradegeschnittene Nase und … diese blauen Augen, die sogar in der Dämmerung nichts von ihrem Strahlen einbüßten. In genau dem Augenblick, in dem er sie still und offen betrachtete, sah sie zu ihm herüber und lächelte
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