Herzüberkopf (German Edition)
oberste Himmelsorder, so schnell wie nur möglich einen Weg hinunter zu finden, um zum Erdboden zu gelangen und endlich darin versickern zu können. Im Handumdrehen war das Stadtbild so als hätten Besen alle Menschen in ihre Häuser gefegt. Keine Seele war mehr zu sehen, lediglich Nachbars Katze huschte, angewidert vom Nass, um die Hausecke in einen geeigneten Schutz und gefährliche Blitze zuckten über dem Horizont, den ringsum das Städtchen vorwiegend Tannenwälder mit einzelnen Flecken Laubbäumen säumte. Erst als der Wind vom Westen her den Regen in die geschützte Laube trieb, zog sich Louis in seine Wohnung zurück und sah dem Treiben hinter dem Fenster weiter zu. Als das Dunkel sich lichtete, wurde der Himmel gelb wie Schwefel und schwerer Donner krachte nieder. Louis stellte sich in diesen Augenblicken den See vor. Oft genug war er dort am Ufer oder gar beim Schwimmen von eilig heranstürmenden Unwettern überrascht worden, teilweise mit Hagelschlag. Er kannte viele Unterstehmöglichkeiten in See-Nähe, welche ihm als Schutz gedient hatten, bis die Stürme vorbeigezogen waren. Allerdings kann es im Hochschwarzwald auf knapp 1000 Metern über dem Meeresspiegel durchaus länger dauern, als die bekannten Gewitterschauer in den Ebenen, die meist rasch über die Flure ziehen.
Als die Sonne gegen 18.00 Uhr wieder herauskam und die völlig durchnässte Welt wieder erwärmte, beschloss Louis seinen Rucksack zu packen und zum See zu fahren. Morris traf sich mit Freunden und war schon kurz nach Geschäftsschluss gegangen. Nach weiterem Unwetter sah es am Himmel nicht aus und Louis beschloss zum See zu fahren. Als er am Seeufer eintraf, war kaum jemand zu sehen. Auch an den sonst stark frequentierten Strandabschnitten, nahe einer Jugendherberge, war der Strand wie leer gefegt. Das Unwetter hatte dafür gesorgt und da gerade samstags viele Leute aus dem Umland zum See fuhren, waren diese überrascht worden und fliehend wieder abgefahren. Nach solch einem Gewitter kamen meist nur sehr wenige Strandbesucher zurück. Der Sand war noch nass, doch Louis hatte eine beschichtete Decke dabei, auf der er im Trockenen sitzen konnte. Er freute sich auf das Schwimmen, das nach einem Gewitterschauer wie diesem ein besonderes Gefühl verlieh. Der See war wie frisch gewaschen und das Wasser schien wärmer als sonst – es war ein einziger Genuss und Louis schwamm an diesem Abend bis zur anderen Uferseite hinüber und wieder zurück, was für ihn etwa 50 Minuten Kondition abverlangte. Louis machte keine Pause am Ufer gegenüber, sondern betrat lediglich den weichen Sandboden, ging einige Meter im seichten Wasser den Strand entlang, tauchte alsbald wieder ein und schwamm zurück. Auch diese Uferseite war menschenleer. Als er die Hälfte bereits zurückgelegt hatte und mit seinem Blick den Platz am Stein anpeilte, an dem seine Sachen lagen, dachte er an Lea und wünschte sich insgeheim, sie wäre da und würde auf ihn warten. Über diese Verrücktheit allerdings, musste er schmunzeln, während er mit den Armen weit ausholte und sein Tempo erhöhte.
Zu seinem Erstaunen allerdings, betrat Lea den Strand vom Weg her in genau dem Moment, als Louis aus dem Wasser an Land ging. Er sah sie von weitem und eine unbeschreibliche Freude durchdrang sein Inneres. Sie kam direkt auf ihn zu, mit graziösem Schritt, demselben Kleid wie am Abend davor, mit dem Handtuchbündel im Arm lächelte sie ihn an, als sie vor ihm stehen blieb.
„Hast du die Seelenreinigung bereits hinter dir?“, fragte sie zur Begrüßung.
„Ja, ich bin länger geschwommen, als ich es ursprünglich geplant hatte. Es ist eine wunderbare Stimmung nach dem Gewitter und so schwamm ich rüber“, wobei er mit dem Arm zum anderen Ufer zeigte.
„Uns im Café hat das Gewitter nur schlechte Stimmung gebracht – da bricht immer das Chaos aus, weil die Leute von der Terrasse schnellstens unter Dach wollen und wir vom Service kommen dabei völlig durcheinander mit der Zuordnung der Tische“, sagte Lea und jetzt sah Louis ihr auch die Abgespanntheit an, die sich noch leicht auf ihrem Gesicht spiegelte, das trotz alledem zarte Züge zeigte, die von ihren hellen goldfarbenen Locken an den Schläfenkonturen umschmeichelt wurden, während der Rest ihrer über die Schulter reichenden Haare mit einem dunkelblauen Samtgummi durch einen Pferdeschwanz im Zaum gehalten wurde.
„Weit werde ich heute nicht schwimmen, aber ich brauche die Abkühlung, es wird gleich dampfen, pass
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