Herzüberkopf (German Edition)
nächsten stand; unter anderem auch deshalb, weil er gerade bei Lea das Gefühl hatte, über alles bestens reden zu können, fragte er sie schließlich über ihr Ansinnen dessen und teilte ihr auch seine Befürchtungen mit, dass ihre Eltern dies überhaupt nicht gutheißen würden, was Louis und Lea gerade auf Korfu erlebten. Der Blick Leas bestätigte seine Vermutung, doch einen Augenblick später strahlte sie ihn unvermittelt an und meinte, dass sie dazu stehe und dies ihrer Mutter mitteilen wolle, ob sie nun damit einverstanden sein würde oder nicht. Und danach wollte sie mit Louis in die Berge fahren. Obwohl Louis mittlerweile gemerkt hatte, wie schwierig solche Entscheidungen für Lea waren, liebte er diese Augenblicke, wenn sie, wie schon einige Male zuvor, etwas mit sich ausmachte, still, beinahe unmerklich nickte oder gar bestätigend ‚ja‘ sagte und es nicht merkte, dass sie ihren Monolog annähernd zum Dialog werden ließ. Wenige Minuten später war es soweit: Lea saß auf der Bettkante, den Telefonhörer in der Hand und wählte ihre deutsche Heimatnummer. Lea war davon überzeugt, dass ihre Mutter um diese Zeit zu Hause sein musste. Louis wurde unruhig wie ein Panther im Käfig, dem man eine Türe offen gelassen hatte. Er ging auf den Balkon hinaus und versuchte vergebens die Idylle zu genießen, die sich seinen Augen aus üppiger Natur darbot. Mit Ausnahme seiner Augen, standen alle seine Sinne auf Empfang jener Wellen, welche Lea aussendete. Ihr Gespräch mit ihrer Mutter entwickelte sich in einen rapid ansteigenden Disput. Verständlicherweise einerseits, denn die Ursache des Vorwurfes, der in Unwissenheit gelassenen Mutter, beruhte vor allem auf den verspäteten Zeitpunkt ihres Anrufes. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass Lea das Camp und damit ihre Truppe vollständig verlassen hatte. Louis stand auf dem Balkon und fühlte sich schuldig – beobachtete Lea in ihrer verteidigenden Gestik und wie sie sich rechtfertigte. Sie beendete kurz darauf das Gespräch und fühlte sich ebenfalls schlecht. Auch Louis schwieg und es dauerte eine Weile, bis ein erstes Lächeln Leas Mundwinkel umspielten. Diese Wartezeit war eine gehörige Lehre, bezüglich des gemeinsamen Umgangs mit einer Krise und deren Bewältigung. Lea bedurfte wie jeder Mensch in bestimmten Situationen bedarf, diesem imaginären stillen Raum, um sich zu sammeln, um festzustellen, wohin die Seele strebt und sich zu entscheiden. Louis spürte das und fragte nicht. Lea erzählte erst viel später darüber – zu einem Zeitpunkt, als sie sich bereits fest entschieden hatte – aber genug!
Einige Minuten später verließen Louis und Lea mit dem Motorroller das Hotel-Areal und bogen auf die Straße ein, welche Richtung Norden nach Nissaki führt. Allein Leas Griff um seinen Leib vermittelte ihm ihre Entschlossenheit. Er staunte über die Willenskraft Leas und bewunderte sie im Stillen. Es war ein einzigartiges Gefühl für Louis, mit Lea auf dem Roller unter dem warmen Wind Griechenlands an der Küste entlang zu fahren. Rechts das türkisfarbene Meer und links die verschwenderische Üppigkeit dieser wunderbaren Natur. Von weitem war die Hügellandschaft rund um den höchsten Berg, dem Pantokrator, verschwommen durch die flimmernde Hitze, sichtbar. Auch war das Festland von Albanien bereits gut zu erkennen, dessen Grenzlinie das Meer als schmaler Streifen zwischen den Nationen markierte. Die Abfahrt bei Pirgi verpasste Louis, weil er seine Konzentration mehr auf Lea, denn auf die Geografie Korfus gerichtet hatte. Beide lachten sie darüber, als sie es merkten, drehten jedoch nicht um, sondern fuhren weiter und verließen die Küstenstraße erst nach Kaminaki. Von da an führte bald ein schmales Sträßchen, welches etwas später in einen landwirtschaftlichen Feldweg mündete, steil den Berg hinauf. Im Gegensatz der ursprünglich geplanten Route, war es auf dieser Piste vollkommen Menschenleer. Das Panorama war einzigartig; zwar holperten sie über Schotter und es rüttelte und rumpelte, doch etwas trieb sie dazu weiter an, nicht umzudrehen, sondern stattdessen weiterhin diese verlassene Wildnis zu erkunden. Das Meer lag steil unter ihnen und immer wieder hielt Louis an, genoss diese Aussicht und beriet sich mit Lea – um unbeirrt weiter hinauf zu fahren. Sie hatten in einem Beutel, der bequem unter dem Rollersitz platziert war, Getränke und ein Picknick-Paket eingepackt. Ebenso hatte dazu eine Decke Platz gefunden – somit
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