Herzüberkopf (German Edition)
davon.
Es war nicht leicht für Louis, mit dem Roller die Balance zu halten. Der Koffer war quer vor seinen Füßen festgezurrt; er hatte somit kaum Beinfreiheit; glücklicherweise wurde die Betriebsmechanik des Rollers ausschließlich mit den Händen gesteuert. Die prallvolle Tasche hatte er auf seinem Schoß, der zusammengerollte Schlafsack klemmte zwischen seinen Knien und dem Gepäckfach unter der Lenkstange und Lea hatte den großen Rucksack umgeschnallt. Bereits zweimal hatten überholende Fahrzeuge gehupt und sich wahrscheinlich über den exotisch ungewöhnlichen Umzugstransport gewundert. In Deutschland hätten sie auf einer Hauptstraße wie dieser, in der Nähe einer größeren Stadt, sicher nur wenige Kilometer Strecke zurückgelegt, ohne von der Polizei herausgewinkt worden zu sein. Louis hatte mit Lea seit der Abfahrt noch nicht reden gekonnt und wusste auch nicht was sie letztendlich dazu bewogen hatte, so konsequent zu handeln und mit ihm zurückzufahren. Noch bevor sie ins Haus gegangen war, hätte Louis es nicht sagen können, ob sie nun geblieben wäre oder nicht – was Lea in jenem Augenblick wahrscheinlich selbst nicht gewusst hatte. Irgendetwas musste vorgefallen sein, das Leas Entscheidung beschleunigt hatte. Louis spürte den Griff von Leas Händen um seinen Leib – es fühlte sich gut an. Und weil momentan die größte Schwierigkeit das Anhalten an Kreuzungen und dergleichen war, da er gerade in diesen Situationen das Übergewicht der Ladung kaum halten konnte, wollte Louis unterwegs möglichst nicht anhalten, sondern am liebsten bis zum Hotel durchfahren. Es gelang tatsächlich und just als sie in die Hotel-Einfahrt einbogen, rutschte der Koffer seitlich herunter, weil Louis ihn nicht mehr mit den Füßen gespürt hatte und ihn somit auch nicht mehr stark genug gegen das vordere Blech drücken hatte können. Kurz geschlingert, angehalten und endlich war es geschafft. Lea rutschte vorsichtig vom Sitz. Sie sahen sich an und grinsten müde – beide waren erschöpft. Der Koffer war zum Glück beim Sturz nicht aufgesprungen und der Inhalt war heil geblieben. Ein Hotelangestellter erschien unter dem Hotel-Eingang, sah herüber und kam sofort, um beim Gepäck zu helfen. Er lachte, schüttelte den Kopf und sagte in gebrochenem Englisch, dass noch niemals zuvor ein Gast auf diese Weise angereist sei – und verschmitzt fügte er hinzu, dass es zwar jüngst vorgekommen sei, dass ein Koffer alleine, ohne Gast angereist wäre und der Gast; dabei zwinkerte er mit der Deutung auf Louis, erst am anderen Tag eingetroffen sei. Alle lachten bei dem Gedanken, welche Eskapaden Louis und Lea auf Korfu schon gemacht hatten. Die Sonne stand schon rot in Horizontnähe, als sie auf der Bettkante saßen; Lea mit einem Glas Mineralwasser in der Hand und so gut es ging, die Gedanken sammelten.
„Willkommen an der Ostküste“, sagte Louis und zog Lea nach hinten, während er sich ebenfalls zurück aufs Bett fallen ließ.
„Jetzt müssen wir das noch mit der Patronin klären“, meinte Lea, die sich leicht mitziehen ließ und ihr Glas gerade noch rechtzeitig auf den Nachttisch abstellen konnte, ehe sie mit dem Kopf auf Louis‘ Bauch landete.
„Das ist erledigt“, antwortete Louis und streichelte Lea zärtlich am Hals.
„Wie?“, sagte Lea und kräuselte die Stirn und Nase, „wann hast du …? Na das hast du ja mal raffiniert eingefädelt, Süßer – was wäre denn gewesen, wenn ich dort geblieben wäre?“
„Dann, na … keine Ahnung – ich hätte es wohl oder übel erklären müssen. Aber was soll ich darüber nachdenken, du bist ja glücklicherweise da.“
Später gingen Lea und Louis ins Zentrum von Dassia und fanden ein niedliches Restaurant, das landestypische Speisen anpries. Sie lachten viel und waren vergnügt, weil sie das Gefühl genossen, eine Last, die nicht genau definiert werden konnte, abgeschüttelt zu haben. Zwar hatte Louis ständig die Frage nach dem wahren Entscheidungsgrund Leas, noch im Camp, nachdem sie mit Monia einige Worte gewechselt hatte, stets auf seiner Zungenspitze, doch er fragte sie nicht deswegen. Diese so wohltuende entspannte Atmosphäre hatte es nicht verdient, von Worten zerrissen zu werden, die aus einer völlig anderen, unangenehm angespannten Situation stammten. Ein später Spaziergang am Strand entlang sorgte für die Romantik zur Nacht – schweigend, Arm in Arm schlenderten sie in der warmen Nachtluft am Saum des Wassers entlang; vorbei an
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