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Herzüberkopf (German Edition)

Herzüberkopf (German Edition)

Titel: Herzüberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Kupka
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Augen die Schale an ihren Mund führte. Der Alte nickte wohlwollend und zufrieden. Louis erinnerte das an die Gepflogenheiten seiner Kindheit, wenn es darum gegangen war, irgendwelches Saftgebräu gegen Heiserkeit oder Halsschmerzen einzunehmen, das alles andere als annehmbar gerochen und geschmeckt hatte. Beim Anblick Leas allerdings musste Louis sich zusammenreißen, damit er die frische Ziegenmilch nicht gleich wieder ausprustete, denn der Alte hielt ihr mit seinen knorrigen, von harter Arbeit geformten und schmutzigen Fingern eine pralle schwarze Olive unter die Nase; Lea hatte den Schluck Milch noch nicht einmal heruntergeschluckt und ihre Augen wurden so groß wie die Olive in der Hand des Alten, der kicherte und unentwegt weiter brabbelte. Als sie Louis Heiterkeit bemerkte, übertrug sich diese allmählich auf sie und damit war eine große Hürde der inneren Gegenwehr genommen. Der Alte freute sich umso mehr und brabbelte schneller als zuvor, hielt zwischendurch inne und grinste glücklich seine Zahnlosigkeit in die Welt hinaus. Die Quellen der Milch waren indes näher gerückt, namentlich; die Ziegen standen plötzlich wieder neugierig neben Lea, die sich zusätzlich erschreckte, als sie mit dem Arm unbemerkt das Fell einer Ziege streifte. Während der Alte bemüht die Tiere verscheuchte, nutzte Lea die Gelegenheit und tauschte ihre noch volle Milchschale gegen die geleerte von Louis aus. Dabei grinste sie den leise protestierenden Louis auf eine Weise an, die letztendlich alles verzieh. Louis überlegte, ob er den Inhalt der Schale rasch hinter die Mauer gießen sollte, bevor der Alte wieder da war, doch es war bereits zu spät dazu und so trank Louis mit gehörigem Widerwillen, jedoch mit dem Bewusstsein, dass diese Milch tatsächlich absolut gesund war, denn ein besseres Leben in freier üppiger Natur, konnten sich Weidetiere wie hier nicht wünschen. Die Schalen waren geleert, die Oliven fast verzehrt; diese waren übrigens von erlesenster Sorte, es waren hauptsächlich die ungewohnten hygienischen Verhältnisse, die den beiden zu schaffen machten und so deutete Lea an, so schnell wie möglich von dem Ort zu verschwinden, ehe der Alte auf die Idee kommen sollte, für dementsprechenden Nachschub zu sorgen. Sie bestiegen den Motorroller, nachdem sie die Decke zusammengerollt und den Rest ihres Picknicks e ingepackt hatten und starteten unter einem erneuten Wortschwall des Alten, der mit beiden Armen lange nachwinkte. Trotz alledem war es herzerweichend, als Louis den Alten noch im Rückspiegel betrachtete, wie er im Staub stehend, ihnen nachwinkte, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Die Abfahrt war mühsamer als die Hinfahrt den Berg hinauf, sodass Louis irgendwann seitlich ausweichte und einen Pfad entlang fuhr und schließlich anhielt, um eine Pause einzulegen. Hier war kein Gehöft, keine Ziegen, nichts das darauf hinweisen konnte, dass sie ein erneutes Erlebnis mit unvorhersehbarem Ausgang erleben würden. Sie wollten nur allein sein. Es waren nur Bäume zu sehen und ein weit übersehbarer Abhang. Hier, im Schatten eines Baumes breiteten sie noch einmal die Decke aus und legten sich rücklings darauf, betrachteten den Himmel und amüsierten sich über das jüngste Abenteuer an der stillgelegten Friedhofsruine.
    „Wenn uns im Dorf unten einer erklären würde, dass der Alte, der uns bewirtet hat, schon vor 300 Jahren verstorben sei, würde ich mich nicht einmal darüber wundern“, sagte Louis und hielt Leas Hand zärtlich in der seinen, während sie eng nebeneinander lagen.
    „Hör auf damit“, meinte Lea schaudernd,
    „so etwas Ähnliches habe ich auch schon gedacht; mir wird grad übel, wenn ich an die Milch denke und hast du seine Hände gesehen …? “ und dabei schüttelte sie sich.
    „Ja, aber nach 300 Jahre alter Milch schmeckte sie nicht“, lachte Louis,
    „Ziegenmilch schmeckt und riecht so streng, das kenne ich von meiner Kindheit.“
    „Ich glaube, das war das typische Gastmahl auf der Insel, das man eben nicht abschlagen darf“, meinte Lea.
    „Ebendarum!“, antwortete Louis,
    „und vielleicht werden wir nun auch 300 Jahre alt oder mehr; jetzt, da wir von des Alten Kost gelabt haben“.
    „Na, dann haben wir ja nichts mehr zu befürchten“, lachte Lea und rollte sich auf Louis drauf.  Hier im hohen, allmählich dürr werdenden wilden Gras, in dem der Wind leise säuselte, lagen sie bis der Himmel seine orangefarbene Decke ausbreitete. Unten konnten sie Schiffe die Meerenge zum

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