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Hesmats Flucht

Titel: Hesmats Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Boehmer
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seinen Beinen. Mit quietschenden Bremsen stoppten sie schließlich in der Nähe einiger Bäume. Nichts war zu hören. Nur der Wind jagte ein paar abgerissene und verdorrte Sträucher vor sicher her.
    »›Wenn du groß bist, bekommst du ein Motorrad‹, hat mein
Vater dann gesagt«, erzählte Hesmat. Aus einer Tasche, die am Hinterrad hing, nahm sein Vater ein großes weißes Tuch und legte es unter einen hohen Strauch, der zwischen den Bäumen stand.
    »Schau doch«, sagte er, »hier sind überall Beeren.« Und da waren sie. Wunderschöne, saftige rote Chatut - Königsbeeren.
    »Mit einem Stock hat er dann gegen die mächtigsten Zweige geschlagen und die Beeren sind direkt vor uns auf das ausgebreitete Tuch gefallen. Ich habe ihn wirklich bewundert«, erzählte Hesmat immer weiter.
    Während er die süßen Beeren mit verschmierten Händen in den Mund stopfte, wurde sein Vater jedoch ernst. Wortlos und nachdenklich blickte er hinaus auf die Ebene.
    »Er hat nichts gesagt, aber die Art, wie er angestrengt geatmet hat, bedeutete noch nie etwas Gutes. Es klang immer, als würde ein Panzer auf seiner Brust stehen. Dann hat er mich wortlos zusammen mit den Beeren in dem Tuch wieder auf das Motorrad gesetzt, und wir sind in die Stadt zurück, bevor es richtig heiß geworden ist.«
    »Ich kenne diese Motorräder«, sagte Hanif, um Hesmat aufzuheitern. »Wir können uns eines ausleihen, wenn du willst.«
    Hesmat gab keine Antwort, sondern blickte sich stumm nach den Bäumen um, deren Früchte so ähnlich aussahen wie die köstlichen Beeren von damals. Duschanbe war eine Stadt voller Farben und viel schöner und bunter, als Tuffon sie beschrieben hatte.
    »Dort gibt es nur Banditen«, hatte er ihn gewarnt, »du musst dich in Acht nehmen.«
    Seine Hände zitterten, als er dem Mann das verlangte Geld gab.
    Hanif nickte. »Du kannst ihm vertrauen!«

    Der Mann zählte die 2000 Dollar in aller Ruhe und stopfte sie in seine Tasche. »Ich werde dir den Pass besorgen«, sagte er schließlich. »Übermorgen geht’s los.« Der Unbekannte verabschiedete sich von Hanif und verschwand hinaus in die Mittagssonne. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, fühlte Hesmat sich elend. Was war er nur für ein Dummkopf. Er kannte diesen Mann nicht und jetzt hatte der sein Geld. Er würde ihn nie wiedersehen.
    Hanif spürte seine Zweifel. »Das passt schon«, sagte er. »Ich würde dich und Fahid nicht irgendjemand anvertrauen. Bachtabat ist ein guter Mann, und wenn nicht, bekommt er Probleme mit mir.«
    Seine Augen sagten die Wahrheit, trotzdem wurde Hesmat das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Das Fest am Abend lenkte ihn ab. Hanif und seine Frau hatten ein Abschiedsessen für Fahid und ihn organisiert, und nachdem sie zusammen mit der Familie und ein paar Freunden im Wohnzimmer gegessen hatten, fuhren die Männer schließlich noch mit einer Marschrutka, einem tadschikischen Sammeltaxi, in die Stadt.
    Die Frauen wanden sich splitternackt um eine Eisenstange, die Männer schrien und jubelten und alle im Lokal waren betrunken. Hesmat wäre am liebsten im Boden versunken, als ihn die Männer immer näher zu der nackten Frau drängten, die scheinbar keine Angst vor ihm hatte. Er fühlte sich schuldig, so schuldig, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Während er sich aus dem Griff der Freunde zu lösen versuchte, war es ihm, als säße ihm seine Mutter gegenüber, die ihre Augen vor Scham abwendete. Was würde sie denken, wenn sie ihn in dieser Bar mit all diesen nackten Frauen und den Betrunkenen sähe? Immer wieder verschwanden die Männer für ein paar Minuten mit irgendwelchen Mädchen, und während er sich
eine Cola bestellte, riefen die restlichen Männer nach weiteren Nackten. Sie kamen und setzten sich mit an ihren Tisch. Hesmat roch den süßlich Duft ihres Parfüms, als eines der Mädchen seine Hand nahm und auf ihren nackten Schenkel legte. Die anderen Männer lachten.
    »Sie will Dollar, Kleiner«, lachten sie, »so billig bekommst du es nie wieder.« Sie wurden immer betrunkener und auch Hesmat wurde schlecht. Sie hatten ihm Wodka in sein Cola gemischt und er übergab sich schließlich auf den Gehsteig. Jedes Mal wenn er die Augen schloss, wurde ihm wieder schlecht, aber die frische Luft fühlte sich gut an und holte ihn langsam in die Realität zurück, während er im Freien auf die Männer wartete. Eine Stunde später hatten schließlich auch Fahid und seine Freunde genug Spaß gehabt.
    »Seid ihr denn

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