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Hesmats Flucht

Titel: Hesmats Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Boehmer
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Kofferraum hoben.
    »Hinein mit euch«, sagte der Fahrer, »oder muss ich euch Beine machen? Jetzt geht schon!«
    Erst als sie sich durch den dunklen Gang tasteten, fanden sie ihre Stimmen wieder.
    »Wo sind wir?«, fragte Hesmat.
    »Ein Stück weiter«, sagte der Fahrer. »Rein mit euch!« Er öffnete eine Tür und zwanzig dicht aneinandergedrängte Gesichter blickten sie überrascht an.
    »Hier ist kein Platz mehr«, schimpfte einer von ihnen.
    »Halt’s Maul!«, schrie Nagib. »Rein mit euch!« Er stieß der Frau seinen Schuh in den Hintern.
    Wieder fiel die Tür hinter Hesmats Rücken ins Schloss. Wieder hörte er, wie sie den Schlüssel umdrehten und weggingen.
    Die erschrockenen Gesichter im Raum erwachten zum Leben. Sie schimpften und fluchten. »Verschwindet«, sagten sie, »wir haben keinen Platz!« Sie redeten durcheinander.
    Hesmat und der Familie schlugen Ablehnung und Mutlosigkeit entgegen. Er sah Afghanen, Menschen, die wie Russen aussahen, sogar ein paar Schwarze.
    »Jetzt seid doch ruhig«, hörte er eine Stimme. »Wir werden schon noch einen Platz finden. Setzt euch!«
    Das große Rücken begann, langsam wurden ein paar Fußbreit am Zimmerboden für sie frei. Die Frau hörte nicht auf, sich zu bedanken, der Mann stolperte unsicher mit den Kindern hinterher.

    »Warum bist du nicht verhüllt?«, schimpfte eine Männerstimme. »Sofort weg mit dir, du Schlampe.«
    Es war, als hätten sie Afghanistan nie verlassen.
    Dann spürte Hesmat einen Blick auf sich ruhen. Jemand starrte ihn ungläubig an. Der Blick durchbohrte in förmlich. Er drehte den Kopf leicht zur Seite. Da trafen sich ihre Blicke. Es dauerte einen Moment, bis sein Geist ihn wahrnahm. Seine Augen waren schneller als sein Verstand. Im hintersten Eck des Raumes saß sein Onkel Karim.

TEIL III

EIN UNERWARTETES WIEDERSEHEN
    »Arassait - Onkelchen!« Hesmat stolperte und stürzte über die anderen hinweg seinem Onkel in die Arme.
    »Seid doch ruhig«, zischten die Wartenden, während sich Hesmat und sein Onkel vor Freude weinend in den Armen lagen.
    »Seid ruhig, ihr verratet uns noch alle!«, zischten sie.
    Es dauerte lange, bis die Umarmungen und die Tränen mehr als wortlose Freude zuließen.
    »Wir glaubten alle, du wärst schon längst tot«, brachte sein Onkel schließlich heraus. »Lass dich anschauen!« Für einen kurzen Augenblick ließ er Hesmat gerade so lange los, bis sich seine Augen erneut mit Tränen füllten.
    Tränenerstickt erzählte Hesmat von Hanif, von Sayyid, der Angst vor den fremden Männern und dem Tod seines Freundes. Vom unglaublichen Glück, das ihn die ganze Reise über begleitet hatte, und von den Schlägen der Männer, den Gefängnissen und der Angst, nie anzukommen.
    Karim schüttelte auch nach Stunden noch den Kopf. »Schau dich an«, sagte er immer wieder. »Wie konntest du das nur schaffen? Allah ist groß! Ich habe nicht mehr daran geglaubt, dich je wiederzusehen.«

    Als die anderen schon lange schliefen, erzählte Karim schließlich, was zu seiner Flucht aus Mazar geführt hatte: »Es hat keinen Sinn mehr gehabt. Nachdem du weg warst, ist alles noch schlimmer geworden. Es gibt nichts mehr, was man in Mazar tun kann. Die Taliban bestimmen alles. Jeden Schritt, den du machst, musst du dir genehmigen lassen. Es ist die Hölle.«
    »Was ist mit dem angeblichen Schatz?«, fragte Hesmat. »Haben sie dich in Ruhe gelassen?«
    »Sie sind einmal gekommen, aber dann habe ich nichts mehr gehört.« Er sah den skeptischen Blick seines Neffen. »Ja, glaub mir! Irgendwie haben sie einfach aufgegeben. Vielleicht haben sie vom Geld anderer Leute gehört, an das sie leichter herankommen könnten. Ich weiß es nicht, auf jeden Fall hat es aufgehört.«
    Hesmat konnte nicht antworten. Zorn, Wut, Tränen kämpften in seinem Inneren gegeneinander an. Was für einen Sinn hatte alles gehabt? Sie hatten seinen Vater wegen nichts getötet. Sie hatten ihm nicht geglaubt, sie hatten ihn umgebracht, um dann plötzlich den angeblichen Schatz zu vergessen. Er konnte nicht glauben, was er hörte.
    »Aber warum?«, brachte er über die Lippen.
    Karim schüttelte nur den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Antwort darauf. Nur Wut. Ach Hesmat, und dabei habe ich keine Kraft mehr für meine Wut. Mazar hat mich ausgelaugt, ich war wie eine leere Hülle. Irgendwann war nur die Sinnlosigkeit übrig. Es war kein Leben mehr.«
    »Aber wie … warum … wie hast du es geschafft?«, fragte Hesmat. »Wann bist du weg?«
    Hesmat staunte mit

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