Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
Vom Netzwerk:
er ist.
    Hesse schreibt eine höchst voluntaristische Umschau in der Welt
    des Buches im Steppenwolf-Jahr: »Eine Bibliothek der Weltlitera-
    tur« (1927). Das Credo lautet: Sucht die Bücher, die zu euch pas-
    sen, so sorgsam aus wie lebenslange Freunde. Man braucht nicht
    unbedingt viele, aber die müssen verläßlich sein. Jede Art von
    Bücherliste, auf der verzeichnet ist, was der Gebildete gelesen
    haben muß, ist eine Form von höherem Schwachsinn. Mehr noch,
    es ist die Vergewaltigung der zarten Erotik, die den Leser mit dem
    ausgewählten Buch verbindet. Warum lesen wir überhaupt? Hesse
    antwortet mit einer Sentenz über Sinn und Unsinn von Bildung. Es
    sind zugleich die Anfangssätze dieses bemerkenswerten Aufsat-
    zes: »Bildung ist nicht Bildung zu irgendeinem Zweck, sondern sie
    hat, wie jedes echte Streben nach dem Vollkommenen, ihren Sinn
    in sich selbst. So wie das Streben nach körperlicher Kraft, Ge-
    wandtheit und Schönheit nicht irgendeinen Endzweck hat, etwa
    den, uns reich, berühmt und mächtig zu machen, sondern seinen
    Lohn in sich selbst trägt, indem es unser Lebensgefühl und unser
    Selbstvertrauen steigert, indem es uns froher und glücklicher
    macht und uns ein höheres Gefühl von Sicherheit und Gesundheit
    gibt, ebenso ist auch das Streben nach ›Bildung‹, das heißt nach
    geistiger und seelischer Vervollkommnung, nicht ein mühsamer
    Weg zu irgendwelchen begrenzten Zielen, sondern ein beglücken-
    des und stärkendes Erweitern unseres Bewußtseins, eine Berei-
    cherung unsrer Lebens- und Glücksmöglichkeiten.«
    Dieser Anfangssatz ist einer der längsten Sätze, die Hesse je ge-
    schrieben hat. Das, was sich zwischen ihm und dem sehr kurzen
    Schlußsatz des Textes an Fingerzeigen auf entlegene wie offenba-
    re Buch-Schätze verbirgt, das muß jeder lesend selbst entdecken.
    Jedoch schließt Hesse bündig: »Ehe die Meisterwerke sich an uns
    bewähren, müssen wir uns erst an ihnen bewährt haben.«

    Bitte keine Besuche
    Hesse ein Einsiedler? Nein, aber bereits in den dreißiger Jahren
    pilgerten die Leser in Strömen nach Montagnola. Der förmlich
    überrannte Hesse malte ein Schild für die Toreinfahrt: »Bitte keine
    Besuche.« Als lyrisch gestimmten Dichter klang ihm das aber wohl
    selbst zu prosaisch. Darum hängte er noch einen Zettel mit altchi-
    nesischem Text dazu: »Wenn einer alt geworden ist und das Seine
    getan hat, steht ihm zu, sich in der Stille mit dem Tod zu befreun-
    den. Nicht bedarf er der Menschen. Er kennt sie, er hat ihrer ge-
    nug gesehen. Wessen er bedarf, ist Stille. Nicht schicklich ist es,
    einen solchen aufzusuchen, ihn anzureden, ihn mit Schwatzen zu
    quälen. An der Pforte seiner Behausung ziemt es sich vorbeizuge-
    hen, als wäre sie Niemandes Wohnung.«
    Die Welt ist ihm schon lange fremd geworden. Im Grunde träumt
    er sich immer noch als Jahrhundertwende-Wanderer von der
    Nord- zur Südseite der Alpen. Eine untergegangene Welt, deren
    Versinken in zwei Weltkriegen und einer - im Wortsinne - explo-
    dierenden Technikentwicklung er immer schon anhand ihrer Kei-
    me, nicht erst der sichtbaren desaströsen Resultate, feinnervig
    registriert und als zerstörerisch empfunden hatte.
    Eine kalte, schnelle - entzauberte - Welt, von der er nun, in seinen
    letzten Jahren, keinen Besuch mehr zu erhalten wünscht. Mancher
    hat das nicht verstanden oder als bloße Attitüde abgetan. So Erich
    Kuby, der 1933 nach Montagnola kommt und in bezug auf den
    (ihm ziemlich fremden) Dichter feststellte: Beliebt ist der hier
    nicht. Kein Wunder, fand Kuby, wer sich solche Schilder an die
    Tür hängt! Aber das Schild ist ein Seelenspiegel Hesses. Über-
    haupt fühlt er sich, nachdem er sein »Glasperlenspiel« (1943) be-
    endet hat, mehr und mehr als überzähliger Gast in einer
    Gesellschaft, die ihn wie ein exotisches Tier anstaunt, aber nicht
    versteht. Hesse hat gesagt, was er sagen konnte, und will nur
    noch Ruhe. Er arbeitet im Garten, liest, malt und hört Musik. Er
    will nichts mehr verkünden oder beweisen, er will ungestört dem
    Ende entgegenhorchen, wie er es einer geistigen Existenz allein
    für angemessen hält. Nur Briefe und kurze Texte schreibt er noch.
    Getreu der altchinesischen Weisheit, sich langsam Schritt für
    Schritt, von Fremden unbeobachtet, vom Leben zu verabschieden.

    Böcklin
    Als Hesse im September 1899 in ↑ Basel ankommt, ist er von Jacob Burckhardt, Nietzsche und Böcklin gefesselt. Alle drei haben eine
    Zeitlang in Basel gelebt.

Weitere Kostenlose Bücher