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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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sein starkes Unbehagen gegen diesen
    Typus Mensch nicht verbergen: »Das Genie, wo es auftaucht, wird
    entweder von der Umgebung erdrosselt, oder tyrannisiert sie; es
    gilt ohne Widerspruch als die Blüte der Menschheit und richtet
    doch überall Not und Wirrnis an, es tritt stets vereinzelt auf, zur
    Enthaltsamkeit verurteilt, ist unvererblich, und hat stets eine Ten-
    denz zur Selbstaufgabe. So stirbt Novalis, unter einem Raketenre-
    gen von blühendster Geistigkeit, so bringt Kleist sich um, so flieht
    Hölderlin, flieht Nietzsche in den Wahnsinn. Und die scheinbar
    bejahenden Genies, die scheinbaren Optimisten, jene Bürgerli-
    chen, Gesunden, Erfolgreichen, Altwerdenden, sie zeigen im Al-
    tern alle diese Tendenz zur Entpersönlichung, welche ebensowohl
    das Gesicht einer Vergöttlichung wie einer Selbstzerfleischung
    annehmen kann.« (1924)
    Darum liebt Hesse Goethes »Wilhelm Meister« so, obwohl der nur
    so durchschnittlich begabt ist wie wir alle: ein Mensch, kein
    Übermensch. Hier zeigt sich für Hesse eine überragende Qualität
    Goethes: seine Fähigkeit zur Versöhnung von Geist und Natur.
    Goethe als vollkommener Mensch wird Hesse zunehmend zum
    Gegentypus, zum krankhaft-einseitigen Genie.

    Gertrud
    Ein Musikerroman aus dem Jahre 1910. Aber wieder über einen,
    der kein Glück hat mit der Kunst (wie bereits Peter Camenzind
    nicht). Immerhin ist der Komponist Kühn keiner, der gänzlich ver-
    sagt, er schafft ein Werk, wenn auch schmaler als erhofft. Aber er
    versagt am Leben, und daß es überhaupt einen echten Ton gibt,
    der seine Lieder zu etwas Besonderem macht, will uns Hesse sa-
    gen, liege genau an dieser unerfüllten Sehnsucht und dem Lei-
    denspreis, den er für seine Kunst zahlt. Es ist eine Variation über
    das Thema: Fremd sein in der Welt und dennoch schöpferisch in
    ihr sein. Scheitern und trotzdem weiterarbeiten: »Ich war der Mei-
    nung, stofflich in der ›Gertrud‹ insofern Neues zu probieren, als
    das Buch von der schwierigen Balance handelt, die im echten
    Künstler zwischen Liebe zur Welt und Flucht vor der Welt einer-
    seits, andererseits zwischen Befriedigung und Durst beständig
    vibriert. Äußerlich kein großer Stoff, aber psychologisch doch.«
    (Brief an Theodor Heuss) Bereits hier hebt das Thema an, das
    Hesse über den »Steppenwolf« hinaus, in der Kritik des
    ↑ » feuilletonistischen Zeitalters « seines Alterswerks »Das
    ↑ Glasperlenspiel « zur Durchführung bringen wird. Und es ist ebenso die Erklärung seiner lebenslang andauernden Liebe zur
    ↑ Musik : »Daß überhaupt Musik in der Welt ist, daß ein Mensch zuzeiten bis ins Mark von Takten bewegt und von Harmonien
    durchblutet werden kann, das hat für mich immer wieder einen
    tiefen Trost und eine Rechtfertigung alles Lebens bedeutet.«

    Geselligkeit
    Hesse, der geborene ↑ Einsiedler, i st auf der Flucht vor ihr. Und wenn, dann stürzt er sich hinein wie in einen Abgrund, selbst
    wenn es sich nur um Maskenbälle handelt, die er in seinen
    ↑ Züricher Wintern besucht. Mitte der zwanziger Jahre steckt Hesse in seiner »Krisis« fest. »Ich habe mein Leben lang die Unabhängigkeit gesucht, und habe sie nun so gründlich, daß ich daran er-
    sticke.« Er erträgt das Alleinsein nun ebensowenig wie die
    Geselligkeit, die in ihm sehr schnell einen ↑ Ekel erzeug t: »Ich habe nun viele Jahre ganz einsam gelebt, oft Monate ohne mit jemand
    zu sprechen, und nun, wo ich da und dort mir versuchsweise die
    Welt wieder ansehe und es mit den Menschen probiere, zeigt es
    sich, daß ich eine Kruste um mich habe und nach irgend etwas
    rieche, was die Geselligen nicht vertragen können, so daß ich
    ganz von selber immer schnell wieder allein gelassen werde, auch
    wo ich das nicht mehr suche.« (Brief vom 17.5.1925 an Stefan
    Zweig)

    Gespräche
    Sind »fast immer so öde und enttäuschend«. Dies läßt Hesse den
    ↑ » Kurgast « sagen: Sinnbild des Künstlers in der Krise. Im Umgang mit anderen Menschen zeigt er Verhaltensformen eines
    ↑ Neurotikers. Das heiß t, er meidet alles, worin sich eine Störung des atmosphärischen Gleichgewichts andeuten könnte, das er zum
    Leben braucht. Darum fürchtet er jedes zur bloßen Konversation
    verkommende Gespräch über Kunst: »... und natürlich wird dann
    Blech geschwatzt, und die reizendsten Menschen lernt man von
    einer Seite kennen, wo sie von den elf anderen vom Dutzend nicht
    zu unterscheiden sind.«
    In der Umkehrung bedeutet diese Schroffheit jedoch: Mit

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