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Hetzer & Kruse 03 - Schattengift

Hetzer & Kruse 03 - Schattengift

Titel: Hetzer & Kruse 03 - Schattengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nané Lénard
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Mitleid zu erheischen, obwohl nur der Fuß verletzt war – lächerlich.
    Fast wäre sie auf dem Sofa eingeschlafen, aber sie raffte sich noch einmal auf und ging auf den Balkon.
    Die Tür stand ohnehin auf, auch wenn es kühl geworden war und die feuchte Nachtluft ihren Weg nach innen suchte. Anke liebte diese Frische. Es gab kaum Tage, an denen sie es bei geschlossenen Fenstern aushielt. Meist standen sie ganz auf. Dann fühlte sie sich frei und unbeengt. In der Praxis hatten sich die Kolleginnen längst daran gewöhnt, dass sie liebend gern in der Anmeldung im Durchzug saß. Da die Praxis zwei Eingangstüren hatte, blieb nur die vordere geschlossen. Zwischen beiden führte ein Gang in die eigentlichen Räume. Von dort konnte man auf das Flachdach des Nachbarhauses schauen. Es war wie eine Art Galerie oder ein Balkon zwischen den Häusern, auf dem zwei Stühle standen. Im Sommer warteten die Patienten gerne draußen, manche, um zu rauchen. Es machte keinen Sinn, es ihnen zu verbieten. Sie taten es sowieso.
    Anke zog das Feuerzeug aus ihrer Hosentasche und steckte sich eine Zigarette an. Der Regen tropfte noch von den Blättern der Balkonpflanzen. Tief sog sie den Rauch in ihre Lungen und sah zu, wie er sich anschließend verflüchtigte. Bis vor Kurzem hatte sie hier noch gemeinsam mit Manuel geraucht. Das war vorbei. Er war ausgezogen. Dabei hatte alles so gut angefangen zwischen ihnen. Sie hatte sich in der ersten Zeit sogar vorstellen können, ihn zu heiraten. Sie lachte rau.
    Aus heutiger Sicht ein unglaublicher Gedanke, auch, wenn sie noch zusammen waren. Irgendwie. Das Zusammenleben hatte einfach nicht funktioniert. Er war damals in ihre Wohnung eingezogen und was er war, das blieb er auch – ein Zugezogener, ein Fremdkörper.
    Sie hatte ihre ganz eigenen Vorstellungen vom Leben und die gedachte sie weder zu ändern noch von irgendjemandem einschränken zu lassen. Sicher, am Anfang, in den ersten Monaten, als die Verliebtheit noch stark war, waren ihr manche Dinge nicht aufgefallen, oder sie hatte sie bewusst übersehen. Irgendwann begannen diese aber, sie mehr und mehr zu stören. Er hatte ein Eigenleben, das nicht zu ihrem passte, und da er sich nicht änderte, war eine räumliche Trennung unausweichlich.
    Jetzt trafen sie sich gelegentlich – manchmal einmal in der Woche oder auch nur alle vierzehn Tage und zwischendurch auf einen Kaffee irgendwo. Manchmal kam er sogar zu ihr, wenn sie es wollte. Das war ganz in Ordnung. Sie hatten sowieso ihre eigenen Freundschaften gepflegt, an denen der andere keinen Anteil hatte.
    Das Leben war stressfreier geworden, wenigstens im Privaten. Sie teilten nur noch, wenn sie wollten.
    Anke fragte sich nicht, ob sie ihn vermisste. Das „Etwas vermissen“ war in ihrem Leben so groß, dass sie dafür keinen genauen Grund nennen konnte. Manuels Fortsein fügte sich darin ein wie ein weiteres Puzzleteil. Sie wollte auch nicht darüber nachdenken.
    Einfach weitermachen wie immer. Morgens zur Arbeit gehen und abends nach Hause. Früher, als sie noch dachte, dass sie Freunde waren, war sie manchmal zu Marie-Sophie zum Essen mitgefahren. Da war es gemütlich und lecker gewesen. Aber dann hatte ihre Kollegin begonnen, sich mit Leslie aus dem Labor zu treffen. Sie gingen sogar zusammen zum Yoga. Ab diesem Zeitpunkt hatte sie jeden engeren Kontakt mit Marie-Sophie eingestellt und war auf der Hut. Mit Leslie war sie selbst einmal befreundet gewesen. Das hatte sich verlebt, wie jede ihrer Beziehungen. Wenn sie sich jetzt in der Praxis trafen, waren die Sätze kurz und knapp.
    Meistens schafften sie es, sich zu meiden. Einen wirklichen Grund gab es nicht, nur eine diffuse Enttäuschung, dass der andere auf Dauer nicht so war, wie man ihn sich vorgestellt hatte.
    Die einzige feste Größe in ihrem Leben war ihre Arbeit und vielleicht noch Heiner, ihr Chef, aber das war irgendwie eins und nicht zu trennen. Seit rund zwanzig Jahren war sie jetzt für ihn tätig, und das schuf eine besondere Art von Nähe. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie sich nur in den Praxisräumen wirklich wohlfühlte. Zu Hause war sie, weil es sich nicht vermeiden ließ. Meist fieberte sie dem Moment entgegen, an dem das Wochenende endlich vorbei war.
    Morgen würde es ein schöner Tag werden, weil Marie-Sophie nicht da war. Anstrengender zwar, weil alles auf ihren Schultern lastete, was die Organisation der Praxis betraf, aber sie musste sie nicht sehen. Und das wog es auf.

Der

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