Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
über die Jahre etwas rundlich geworden war, war sie immer noch eine attraktive Frau. Eine kleine dürre hätte auch komisch gewirkt neben ihm, der eher eine Statur wie ein Wikinger besaß.
Der Tisch war schon gedeckt. Er nahm Platz und legte sich die Serviette auf den Schoß. Und da kam sie auch schon mit einer dampfenden Auflaufform.
„Ah, lecker, Spaghetti Bolognese mit Käse überbacken. Genau das Richtige nach so einem Tag!“
„Wieso, was ist denn passiert? Irgendwas in der Praxis? Zicken die Weiber wieder rum?“ Sie goss ihrem Mann ein Glas Merlot ein.
„Das auch“, antwortete er, „aber unserer Frau Schulze ist in den Fuß geschossen worden. Hast du das nicht in den Nachrichten gehört?“
„Nee, echt? Das ist ja schrecklich. Ist sie im Krankenhaus?“
„Da wollte sie überhaupt nicht hin. Ich habe mir den Fuß dann angesehen. Der Schuss ist glatt durchgegangen und in der Schuhsohle stecken geblieben. Das konnte man sehen. War wohl ein kleines Kaliber. Dass so etwas praktisch nebenan passiert, unten an der Parkpalette…“
„Hätte das nicht geröntgt werden müssen? Frau Schulze ist doch sonst nicht so unvernünftig.“
„Schon, aber was willst du machen? Ich hatte versucht, sie zu überzeugen, dann habe ich geschimpft.
Keine Chance. Sie ließ nicht mit sich reden. Erzählte mir, dass sie auf ihre Nachbarin aufpassen müsse, die bettlägerig sei. Und dann humpelte sie auch schon davon.“ Marion Wiebking füllte den Teller ihres Mannes und schüttelte den Kopf. „Falls die Knochen was abbekommen haben, wird sie dann aber länger ausfallen.“
„Glaub mir, die kommt Montag schon wieder. Hat sie wenigstens gesagt. Ich halte das auch für zu früh.
Aber na gut, der Fuß ist nicht großartig angeschwollen gewesen. Man weiß natürlich nicht, wie es jetzt aussieht. Du musst dir vorstellen, es ist wie eine lange Brandwunde, ummantelt von einem blauen Fleck, falls keine Knochen oder wichtigen Gefäße verletzt sind. So kann man es ungefähr sagen.“
„Sie müsste aber den Fuß in der Praxis wenigstens hochlegen können. Es ist ja toll, dass sie so einen Einsatz zeigt und nicht krank machen will. Prost!“
„Ja, wohl bekommts!“ Heiner nahm einen Schluck und stellte das Glas wieder ab. „Es dürfte kein Problem sein, einen Hocker in die Anmeldung zu stellen. Da könnte sie das Bein entlasten. Anke kann die Lauferei erledigen.“
Marion lachte und kaute weiter.
„Was lachst du?“
„Das wird aber eine Umstellung. Die kriegt ihren dicken Hintern ja sonst kaum da vorne weg. Einhundertzwanzig Kilo müssen auch erst mal bewegt werden.“
„Pfui, Marion, das war aber nicht nett von dir. Sie ist eine unserer wichtigsten Säulen in der Praxis.“
„Stimmt, standfest ist sie, aber in allem ein bisschen zu wichtig, finde ich.“
„Sie weiß, was sie kann, das ist schon richtig und vielleicht zeigt sie das auch. Niemand ist perfekt. Auf jeden Fall gab es heute schon wieder Unstimmigkeiten. Leslie aus dem Labor hat sich beschwert, dass die Abläufe einfach nicht optimal sind. Es hakt an der Kommunikation der einzelnen Abteilungen, meint sie.
Die Zuarbeit könnte besser sein.“
„Und, hat sie recht?“
„Möglich, wir müssen mal ein Organigramm machen und uns alle zusammensetzen.“
„Ob das was bringt? So viele Frauen auf einem Haufen sind immer schwierig.“
„Was soll’s. Jetzt lass uns von was anderem sprechen. Zu deinem leckeren Essen möchte ich keinen bitteren Beigeschmack.“
Marion schmunzelte und legte nach. Sie kannte ihren Heiner gut genug. Bloß nicht zu sehr an Dingen rühren, die er wenig beeinflussen konnte. Er war im Grunde der Meinung, dass die Frauen ihre Probleme untereinander lösen sollten. Wie jeder Kerl. Einfach ein Bier zusammen trinken und Schwamm drüber. Nur, dass das auf das andere Geschlecht meist einfach nicht zutraf. Da wurde eher geschwiegen und gelitten oder im Verborgenen gekämpft. Sie ließ es gut sein für heute, nahm sich aber vor, später noch einmal auf das Problem zurückzukommen, wenn der Zeitpunkt günstig war oder ein neues Fiasko das Thema wieder auf den Tisch brachte.
Ins Dunkel
Zehn Minuten war Wolf Hetzer dem Wagen nun schon gefolgt. Von Ahnsen aus war Marie-Sophie Schulze in Richtung Krainhagen und von dort durch den Wald nach Rolfshagen gefahren. Jetzt hielt sie in der Nähe von RHM-Moden, stieg aus und ging über den Hof eines Bauernhauses, das zu mehreren Wohnungen umgebaut worden war. Sie war noch nicht ganz an der
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