Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
Versuch
Melancholisch war Peter Kruse nach Hause gefahren.
Hetzer hatte gut reden. „Lad sie doch einfach ein!“, hatte er gesagt. Wenn das so einfach wäre. Er wusste nicht einmal, wie er sie ohne medizinischen oder kriminalistischen Vorwand anrufen sollte, denn was sollte er ihr sagen?
Nein, so ging das nicht. Er musste schon einen triftigen Grund haben, und der fiel ihm gerade nicht ein.
Warum war er nur so unsicher. Wegen seines Bauches? Oder weil er nicht wusste, was er einer intelligenten Frau wie Nadja zu bieten hatte?
„Nichts!“, säuselte es in seinem linken Ohr.
„Liebe!“, flüsterte es im rechten.
„So ein Quatsch, das ist nur die Geilheit eines zu kurz gekommenen Mittdreißigers“, sagte die Stimme von links.
„Nein, es ist die Sehnsucht einer einsamen Seele“, beharrte die rechte.
„Die will doch sowieso nix von ihm. Sie kann andere haben.“ Die linke Stimme kicherte fies.
„Und wenn sie gar keine anderen will?“
„Unwahrscheinlich! Guck dir den morbiden Fettsack doch mal an!“
„Sie wird seine inneren Werte lieben“, sagte die rechte Stimme im Brustton der Überzeugung.
„Dann gibst du also zu, dass ich recht habe?“
„Vielleicht, aber darauf kommt es nicht an.“
„Gut, dann einigen wir uns darauf, dass er ein unattraktives Hängebauchschwein mit einem guten Charakter ist!“
„Ich hau dir gleich welche!“
„Kannst du nicht, du bist das Gute!“, lachte das Böse lauthals und verpuffte.
„Und ob ich das kann, na warte!“ Mit einem Zischen verschwand die andere Stimme ebenfalls.
Bevor die Sache in seinem Kopf eskalierte, schüttelte sich Peter und nahm das Telefon, um es wieder in die Ladestation zu stellen.
Das letzte bisschen Selbstwertgefühl war dahin.
Nein, Nadja würde nie im Leben mit ihm ausgehen. Er hatte die Worte noch im Ohr. Und genau so war es auch: Er war üppig, durchschnittlich und hatte schon ewig keine Frau mehr gehabt. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie sich eine anfühlte.
Übellaunig ließ er sich in seinen Sessel fallen und dachte überhaupt nicht daran, wieder aufzustehen, auch wenn ihn das blöde Telefon jetzt auch noch zum Narren hielt und von selbst klingelte, ohne dass er sprechen wollte.
Abendgedanken
Sie musste es auf jeden Fall verhindern, dass Heiner zu ihr nach Hause fuhr. Und wenn sie sie selbst von zu Hause abholte. Sie schüttelte sich bei dem Gedanken. Trotzdem war das das kleinere Übel. Es war besser, wenn Marie-Sophie in die Praxis kam, um ihren Fuß verbinden zu lassen. Dann konnte sie dabei sein.
Hören, was die beiden zueinander sagten, sehen, wie sie sich in die Augen schauten.
Er war ihr Chef. Marie-Sophie konnte irgendeinen anderen haben. Sie konnte viele andere haben, jeden außer Heiner. Es war ihr Heiner, zwanzig Jahre schon.
Das würde sie sich von keiner kaputtmachen lassen.
Um keinen Preis. Sie würde das zu verhindern wissen.
Schatten
Als Wolf Hetzer gerade eben noch die Rücklichter von Marie-Sophie Schulze sehen konnte, startete auch er seinen Wagen und fuhr bergab. Er sah, dass sie unten am Ende der Straße nach rechts in Richtung Ahnsen abbog.
Was er nicht bemerkte - weil er überhaupt nicht auf die Idee gekommen wäre – war, dass ein weiterer Wagen in ihrer beider Schatten folgte.
Dr. Wiebking
Es war einer jener Abende, an denen sich Heiner Wiebking besonders auf Zuhause freute. Der ganze Trubel war ihm zu viel gewesen. Nicht nur, dass man auf seine Angestellte geschossen hatte, auch über Patienten und Mitarbeiter hatte er sich mehrfach geärgert. Da war es gut, in eine Atmosphäre voller Ruhe und Wärme ein-zutreten. Seine Frau Marion war ein Schatz. Sie meckerte nie, wenn er viel zu tun hatte, kochte und sorgte für ihn, sodass er sich in seiner freien Zeit entspannen konnte. Sie unternahmen gerne etwas zusammen und doch hatte jeder auch freie Stunden für sich. Im Grunde genommen war er ein gesegneter Mensch, überlegte er.
In seinem Leben war im Großen und Ganzen alles in Ordnung. Die kleinen Irritationen verdaute er in Marions Gegenwart, wenn sie sich beim Essen unterhielten.
Heute duftete es köstlich nach etwas, das mit Käse überbacken war.
„Hallo Schatz, ich bin da!“, rief er und strich sich über seinen Bauch.
„Fein!“, sagte sie und schaute durch die Küchentür.
Er bückte sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du kannst dich schon hinsetzen. Ich bin sofort bei dir.“ Wiebking schmunzelte und fühlte sich wohl. Auch wenn Marion
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