Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
genießen. Wir genießen dieses Wissen, diese Nähe wie ein Geschenk.“
„Und was ist mit der Sehnsucht? Wie sollen wir mit dem Schmerz leben?“
„Indem wir ihn teilen.“
Er wollte sie an sich ziehen und konnte nicht. Nur ganz eben erreichte er sie mit den Fingerspitzen und zeichnete den Weg ihrer Augenbraue nach. Etwas verband sie beide und doch war da eine Grenze, die er nicht überschreiten konnte.
„Wie sollen wir teilen, wenn wir uns nur von Ferne berühren können?“
„Im Lieben. Es ist in uns.“
„Es wird uns zerstören“, sagte er. „Die Liebe, der Schmerz, die Sehnsucht. Das alles tötet uns mit der Zeit.“
„Nicht, wenn wir lieben, nur wenn wir besitzen wollen. Liebe mich. Daran ist nichts falsch, nichts böse. Es liegt keine Schuld im Lieben. Du bist schon lange in mir, ich ahnte dich, doch ich sah dich nicht.“
„Aber es wird kein Fühlen geben, kein Spüren, kein Halten?“
„Nicht so, wie du denkst. Schließ die Augen!“
In sein Innerstes senkte sich ihre Stirn, ihre Schulter, ihr ganzes Sein. Ruhe erfüllte ihn. Sie liebte ihn. Es war ein Wissen, das ihm niemand mehr nehmen konnte.
Eine unendliche Erfahrung des Ankommens. Er wusste, dass er sie nie verlieren würde, weil er sie in sich trug und bewahren wollte – die Liebe.
Entdeckungen
Jäh wachte er auf, als mit einem Mal Gaga anschlug und es kurze Zeit später an seine Scheibe klopfte. Es bellte auch an der Autotür. Er erschrak. Hatte er doch nicht geträumt? Da war ihr Gesicht. Sie war doch eben noch hier gewesen. Hatte auf dem Sitz neben ihm gesessen. Er ließ die Scheibe hinunter.
„Was machen Sie hier?“ Sie hielt ihre Hündin kurz.
„Ich wollte mit Lady Gaga spazieren gehen.“
„Sicher, und ich mit Shakira. Vielleicht singen sie ein Duett.“
„Meine Hündin heißt so“, sagte Hetzer müde.
„Sie haben mich beobachtet. Ich will das nicht!“
„Ich habe mir Gedanken gemacht, ob Sie sich sicher fühlen.“ Mein Gott, was redete er für einen Quatsch, dachte er bei sich.
„Dann observieren Sie mich? Auch das will ich nicht. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich jetzt keine Angst mehr habe. Meine Aisha hat Sie sofort entdeckt, Herr Kommissar. Sie hätte auch jeden anderen verbellt, der sich im Gebüsch versteckt. Arbeiten Sie eigentlich immer im Schlaf?“
Hetzer kam sich blöd vor, wie der letzte Volltrottel.
Und was noch schlimmer war: Ihm fehlten die Worte.
„Sie können nach Hause fahren.“
Hetzer nickte. „Wenn Sie meinen. Tut mir leid, ich wollte Sie nicht verärgern. Außerdem bin ich nicht im Dienst.“
„Ach so? Na dann. Sie haben mich nicht verärgert.
Ich wollte das nur klarstellen, bevor ich ins Bett gehe.
Sie brauchen sich hier nicht die Nacht um die Ohren zu schlagen, vor allem nicht in Ihrer Freizeit. So, und jetzt gehe ich wieder rein. Mir wird kalt, ich komme gerade aus der Dusche.“
„Dann gute Nacht“, sagte Wolf und blickte ihr nach.
Etwas war ihm komisch vorgekommen. Er wendete seinen Wagen und fuhr bergab. Doch dann beschloss er aus einer Eingebung heraus, in einiger Entfernung noch ein wenig zu warten. In einer Nebenstraße fand er einen guten Platz, von dem aus er das Haus von Marie-Sophie Schulze sehen konnte.
Es dauerte nicht lange, da kam sie wieder durch die Haustür. Allein, ohne Hund. Fast hätte er sie übersehen, denn sie machte kein Licht. Doch die Wolken waren seine Verbündeten. Sie rissen in dem Moment auf, als sie sich vorsichtig vergewisserte, dass er weg war. Vielleicht hatte sie aber auch Angst, obwohl sie es nicht zugeben wollte und blickte sich deshalb um.
Kurze Zeit später sah er, wie die Rücklichter ihres Wagens aufleuchteten. Sie setzte zurück in den Wendehammer und fuhr den Abhang hinunter.
Das war merkwürdig. Ihm hatte sie gesagt, dass sie ins Bett wollte, und jetzt wusste er auch, was ihn an diesem Satz schon beim Hören gestört hatte. Sie war geschminkt gewesen. Niemand, der gerade aus der Dusche kam, war zurechtgemacht, als ob er etwas vorhätte. Und sie hatte definitiv etwas vor. Er wollte wissen, was.
Die Macht der Unzufriedenheit
Anke Tatge war erschöpft. Der Tag war anstrengend gewesen. Dann noch der blöde Anruf von Marie-Sophie. Es war ihr, als habe sie einen Triumph aus deren Worten herausgehört. Heiner würde sie jetzt bedauern, sich um sie kümmern. Nicht nur, dass er sie wegen ihrer Bilder bewunderte, von denen eines in seinem Sprechzimmer hing, jetzt drängte sie sich weiter in sein Bewusstsein, versuchte
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