Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
am Apparat. Das war das Letzte, was sie an diesem Sonnabend gewollt hatte. Er sei auf dem Weg zur Praxis, sagte seine Frau, und nur mobil erreichbar. Das passte ihr gut. Schnell zog sie sich eine andere Hose an. Die schwarze stand ihr am besten, sie machte schlank. Dann lief sie die Treppe hinab, setzte sich in ihren Wagen und fuhr los.
In der Praxis traf sie auf einen etwas konfusen Heiner.
Sein Schreibtisch lag wie immer voll, aber er wirkte unruhig und fahrig.
„Ach, grüß dich, Heiner!“, sagte sie. „Bist du auch hier?“
„Ja“, antwortete er zerstreut und schaute auf seinen Bildschirm.
„Ich wusste nicht mehr, ob ich den Steri ausgemacht hatte und ob das Wasser abgedreht war. Da bin ich lieber noch mal hergefahren. Auf dem Handy konnte ich dich nicht erreichen.“
„Komisch, ich hab kein Klingeln gehört“, sagte er.
„Mein Telefon ist in der Jackentasche. Ich gucke gleich mal nach. Was wolltest du denn?“
„Dich bitten, ob du nachsehen kannst. Dann hätte ich mir den Weg sparen können, falls du sowieso hergefahren wärst. Bist du ja auch.“
„Warum hast du dann nicht hier angerufen?“
„Da geht doch gleich der AB ran.“
„Ach ja, stimmt!“ Er war mit seinen Gedanken ganz woanders.
„Ist irgendwas, Heiner? Du bist so komisch.“
„Die Polizei hat gerade bei mir angerufen. Marie-Sophie ist verschwunden!“
„Wie verschwunden? Gestern war sie doch noch da.
Vielleicht ist sie unterwegs. Oder zu ihrem Mann nach München gefahren. Oder bei der Nachbarin?“ Anke wurde heiß und kalt zugleich.
„Keine Ahnung. Das hat mich ja auch gewundert.
Aber irgendetwas veranlasst die Beamten, trotzdem schon nach ihr zu suchen. Sie haben mir merkwürdige Fragen gestellt. Und bei ihrem Mann kann sie leider auch nicht sein… Hoffe ich wenigstens“, fügte er noch an.
„Ich verstehe nur Bahnhof. Du sprichst in Rätseln, aber ich spüre, dass du dir große Sorgen machst.“ Sie kam näher, setzte sich auf die Ecke seines Schreibtischs und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nun sag mal, was dich wirklich bedrückt.“
„Marie-Sophies Mann ist tot. Sie selbst ist spurlos verschwunden. Das ist alles, was ich weiß. Dann haben sie mich noch gefragt, ob Marie Marcumar oder etwas Ähnliches genommen hat. Hast du dafür eine Erklä rung? Sie soll auch einen unglaublich niedrigen HB-Wert gehabt haben. Bei den letzten Laborwerten aus Dezember waren die Werte ganz in Ordnung. Ich habe eben nachgesehen. Die Ärztin von der Rechtsmedizin wollte die Werte zugemailt haben.“
„Das ist ja furchtbar!“, rief Anke aus und nahm Heiners Hand. Ihr selbst war der Schreck in die Glieder gefahren. „Und diese komischen Fragen, was können die bedeuten?“
Heiner stand auf und sagte: „Sie müssen doch wohl irgendwie Blut von ihr gefunden haben. Sonst könnten sie es nicht untersucht haben. Lass uns mal nachdenken. Diese Frau, Dr. Serafin von der Rechtsmedizin, fragte nach Marcumar. Also müsste sie ein Cumarin-Derivat im Blut gefunden haben. Aber das kann nicht sein, sie muss sich geirrt haben.“
„Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Wieso sollte sie das genommen haben? Und du hast ihr doch Heparin gepritzt“, erinnerte ihn Anke.
„Hab ich nicht. Vielleicht hat sie es später selbst gemacht, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie das vorhatte. Sie war irgendwie zögerlich und fand, dass eine Thrombosespritze nicht unbedingt notwendig sei, da sie sich ausreichend bewegte. Das glaube ich ihr sogar, denn der Fuß sah nicht so toll aus. Sie hätte ihn mehr hochlegen sollen.“
Heiner nahm sein Handy aus der Jackentasche.
„Nichts drauf. Vielleicht hast du dich vertippt?“
„Unwahrscheinlich, ich habe deine Nummer doch eingespeichert. Na, wie auch immer“, sagte sie und wollte vom Thema ablenken.
Es beruhigte sie ein bisschen, dass sich Marie-Sophie die Thrombosespritze anscheinend nicht auch noch gegeben hatte.
„Meinst du, die Blutarmut und damit der zu niedrige Hämoglobin-Wert kamen daher, dass sie kurz zuvor reichlich Blut verloren hatte? Zum Beispiel, als ihr in den Fuß geschossen worden war?“ Sie ging näher zu ihm. Er ließ das Handy wieder in die Jacke gleiten und bemerkte nicht, dass er ihre Brust berührte, weil sie so dicht neben ihm stand.
Anke jedoch genoss diesen Zustand aus Angst, Nervenkitzel und Erregung. Ein Cocktail, der ihr gut gefiel. Sie überlegte, ob sie sich noch weiter vorwagen konnte und wie sie das geschickt anstellen konnte.
„Durch die
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